der ,gute‘ Kreon«. Antigone will die Bestattung des Erschlagenen
vollziehen, sie will den Leichnam mit Staub bedecken und ihm die
Opfergüsse geben, welche ihm zukommen, diese Tat ist für sie
»das Heilige«, zu dem sie die Götter und ihr Blut verpflichten.
Diesem, wie es scheint, höchsten und heiligen Recht, dem sie Aus
druck geben wird durch ihre Tat, steht die andersartige Anschau
ung der Schwester Ismene entgegen: »das Recht des Staates zu
verleugnen 1 bin ich nicht gewillt«. Und Kreon selbst gibt dieser
Anschauung an anderer Stelle Ausdruck, wenn er sagt: »Nichts
würdig gilt, wer um / Den Freund — er sei ihm eigen, wie er
wolle — Glück / Des Vaterlandes preisgibt«. Antigone jedoch
sieht in diesem Recht des Vaterlandes, welches ihr entgegensteht,
nichts anderes als den Hochmut Kreons, — als den Machttaumel
eines Mannes, der die »ungeschriebenen, unverletzlichen Gebote«
der Götter zu brechen willens ist. Wir wollen an dieser Stelle
weder der Schwierigkeit noch der Dialektik des Machtproblems
nachgehen, wir konstatieren lediglich, daß hier zwei Rechtsan
schauungen aufeinanderprallen, deren jede ganz eminente Gründe
für sich hat. Beide Gegenspieler, Antigone wie Kreon, kommen
um die in jedem Fall tragische Entscheidung nicht herum. Die Be
stattung des Bruders ist für Antigone heiligste Verpflichtung, sie
wird schuldig an ihrem Geschlecht und an den Göttern, wenn sie
nicht tut, was es sie zu tun drängt; was Kreon ein Verbrechen
scheint, das gilt ihr als höchstes Postulat der Sittlichkeit. Daß dies
ihr Handeln negative politische Wirkungen hervorruft, sofern es
den Willen dessen ignoriert, welcher den Staat verkörpert, liegt
außerhalb ihres Gesichtskreises. Kreon hingegen interessieren
weder die Verpflichtungen des Blutes noch die Geseke der Götter,
ihn interessiert lediglich das Vaterland, und er weiß, daß es den
Erfordernissen des Staates ins Gesicht schlägt, wollte man dem
Hochverräter die gleiche Bestattung zubilligen wie demjenigen,
welcher im Kampf für diesen Staat sein Leben ließ. In diesem
Fall würde die Macht sich selbst korrumpieren, und der Staat
würde jene Härle (welche oft den Charakter der Grausamkeit an
nimmt und zu seinem Bestehen unerläßlich ist) preisgeben. Das
Freund-Feind-Verhältnis, in welchem man das Wesen des Po
litischen sieht, verlangt die Ächtung des Polyneikes.
Hier also steht in eminentem Maße Recht gegen Recht, religiöse
Sittlichkeit gegen Staatsinteresse, und der Ausgang kann natur
gemäß nur ein tragischer sein. »Recht ringt mit Recht«, wie es
Aischylos einmal ausgesprochen hat; das Ergebnis ist der Unter
gang aller, welche an dieser tragischen Auseinandersetjung beteiligt
sind. So also vermag der Mensch schuldig zu werden, auch und
indem er wirklichen Idealen- huldigt; man wäre geneigt zu sagen,
daß die Möglichkeit des Schuldigwerdens zunimmt, je abstrakter
das Ethos, der Idealismus ist. »Das klarste Recht — so hat es