Full text: Lenin, Leben und Werk

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Es war in der Tat gefährlich, mit allzu unvorsichtiger Hand 
in die Vorratskammer seines Verstandes zu langen, um die dort 
herrschende Ideenordnung zu stören. Wenn seitens irgend eines 
Streitsüchtigen die gegen ihn gerichteten Angriffe allzu an 
maßend wurden, so war er nie abgeneigt, den Fehdehandschuh 
aufzunehmen, aber dann hieß es: auf der Hut sein. Wladimir 
Hjitschs Dialektik war eine niederschmetternde. Alle Unklar 
heiten in der Rede des tapferen Ritters, alle mißlungenen 
kleinen Sätze und Wendungen, alle „Embryonen“ der ihm 
entschlüpfenden Ketzereien wurden unverzüglich auf die Spitze 
des Leninschen Sarkasmus gespießt, wobei die spöttischen, von 
Zeit zu Zeit aufsprühenden Funken tödlicher Ironie, die durch 
dringenden schwarzen, schrägstehenden Augen in dem breit 
knochigen Gesicht Hjitschs Opponenten in Verwirrung setzten 
und die Worte im Halse stecken bleiben ließen. 
Eine interessante Eigenheit der Polemik Hjitschs bestand 
darin, daß er weniger seinen Gedankengang verteidigte, als 
gewöhnlich den Gedankengang des Gegners angriff, wodurch 
er diesen zwang, sich in die Verteidigungsstellung zu begeben. 
Aber diese Verteidigung führte nur dazu, Hjitsch immer mehr 
Objekte für eine grausame Kritik sammeln zu lassen. Er 
benutzte Thesen oder sogar „zufällige“ Sätze des Gegners, um 
ihnen einen bestimmten Lebensinhalt zu geben und sie zu 
sezieren, indem er sie aus der Sprache weiser, verwickelter und 
nebelhafter Phraseologie in die vulgäre Sprache konkreter 
Wirklichkeit übersetzte, so daß dem Autor der inkrimierten 
Worte und Phrasen bei diesen Operationen zu grauen begann. 
Der gekränkte Gegner gelangte schließlich zu der Ueber- 
zeugung, daß Hjitsch ihn „schikaniere“, daß er den Sinn seiner 
Worte im Zerrspiegel seiner Kritik bis zur Unkenntlichkeit 
entstelle. Nicht umsonst hat sogar Martow einst in einer seiner 
gegen Lenin gerichteten polemischen Broschüren kläglich ge 
jammert, daß Lenin seine Argumentierung nicht begreifen wolle 
und durch seine ewigen „Seitensprünge“ vom Streitobjekt fort 
der Zange der Martowschen Logik aalglatt entschlüpfe. 
Es wäre jedoch ein Irrtum, glauben zu wollen, daß Wladimir 
Hjitsch nichts anderes im Sinne hatte, als diesen oder jenen auf
	        
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