Full text: Lenin, Leben und Werk

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mir Iljitsch erfüllte solche Bitten nicht nur dann, wenn die Ge 
nossen sich damit an ihn wandten, er sorgte auch selbst, aus 
eigenem Antrieb für sie. Wie oft kam es vor, daß er, wenn er 
bemerkte, daß dieser oder jener Genosse übermüdet war oder 
schlecht ausschaute, ihn zu einem Arzt schickte, dem Zentral 
komitee telefonierte, um dem Betreffenden einen Urlaub zu er 
wirken, ihm die Möglichkeit der Erholung und Heilung zu ver 
schaffen, Alle Augenblicke wandte er sich an mich mit der 
Bitte, in Erfahrung zu bringen, wie es diesem oder jenem Ge 
nossen gehe, ob er nicht etwas brauche, oder er bat, ihm Lebens 
mittel zu senden, einen Pelz zu verschaffen usw. 
Aber nicht nur Genossen bewies er eine derartige Aufmerk 
samkeit. Sein Verhalten war das gleiche auch jenen gegenüber, 
die ihm unbekannt und sogar ganz fremd waren. Sie erinnern 
sich der Jahre 1918/19, Sie werden wissen, wieviel Feinde die 
Sowjetregierung überall hatte, welch unerbittlichen Kampf sie 
gegen diese führen mußte, Wladimir Iljitsch verstand es, gegen 
diese Feinde unerbittlich zu sein, aber er verstand auch die 
höchste Gerechtigkeit zu üben, wenn er irgendeinen Fehler be 
merkte, der jenen gegenüber begangen worden war. Ich will 
nur eine kleine Tatsache erwähnen. Man könnte davon viele 
anführen, aber ich beschränke mich auf eines. Wir haben dieser 
Tage einen Brief erhalten. Der Autor des Schreibens war im 
Jahre 1919 zum Tode durch Erschießen verurteilt worden. Seine 
Mutter lief, wahnsinnig vor Schmerz, in den Kreml, in der Hoff 
nung, zu Lenin durchgelassen zu werden, doch es gelang ihr 
nicht, zu ihm zu dringen. Sie kehrt verzweifelt nach Hause 
zurück und findet ein ihr durch einen Motorradfahrer zugestelltes 
Schreiben von Lenin vor, worin er ihr mitteilt, sie möge sich nicht 
aufregen, man könne eine Kassationsklage einreichen und 
schließlich auch noch die Allrussische Zentralexekutive um Be 
gnadigung bitten. Die Kassationsklage wurde nicht berücksichtigt. 
Aber als die Mutter des Verurteilten in die Allrussische Zentral 
exekutive kam, um die Begnadigung ihres Sohnes zu erbitten, 
empfing der Sekretär sie mit den Worten; „Ich weiß, ich weiß, 
Genosse Lenin hat bereits viele Male Ihretwegen angeläutet.“ 
Schließlich wurde der Verurteilte begnadigt und späterhin sogar 
in den Moskauer Sowjet gewählt.
	        
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