Full text: Mathematische Bevölkerungstheorie

Statistische Kurven 351 
fen und nicht bloß für einen Teil. Eine Abänderung der Beobachtungs 
daten, nur um sie unter einen bestimmten mathematischen Ausdruck zu 
zwängen, führt nur zu einer Selbsttäuschung. Ebenso bedeutet die An: 
nahme eines Ausdrucks, der charakteristische Züge des Materials zer- 
stört, nur eine Verschlechterung der Resultate. 
Unter allen Umständen wird man sich hüten müssen, in einer empi- 
rischen Formel für eine statistische Erscheinung ohne weiteres den Aus- 
druck eines „Gesetzes“ zu erblicken. 
4. Internationale Graphika und Kurventypen. Sind einmal 
für alle: wichtigen Bevölkerungscharaktere „Normen“ berechnet (vgl. 
VIIL, 6), so wird es sich empfehlen, sie in graphischer Darstellung 
dem internationalen Gebrauche zugänglich zu machen. Dies könnte 
dadurch geschehen, daß man ein karriertes Papier herstellen läßt und 
die Kurven darauf in feinen schwarzen oder auch farbigen Linien. ver 
zeichnet. Indem dann auf demselben Blatte der gleiche Churakter der 
Bevölkerung eines Landes aufgetragen wird, läßt sich aus der Neben- 
einanderstellung die Natur der Abweichungen des besonderen Falles 
von der Norm unmittelbar erkennen. Auf diesem Wege könnten die Be- 
völkerungserscheinungen auf graphischem Wege einem vergleichenden 
Studium unterzogen werden. Das Verfahren ist noch einer Erweiterung 
fähig in dem Sinne, daß man neben der internationalen „Normalkurve“ 
auch die eigene „Normalkurve“ (aus einer bereits zurückliegenden Pe- 
riode, etwa der abgelaufenen Dekade) verzeichnet und so zur Erkenntnis 
der charakteristischen Änderungen in der eigenen Bevölkerung gelangt. — 
Kurventypen von internationalem Gebrauch würden auch eine wertvolle 
Hilfe gewähren bei der Reduktion statistischer Ergebnisse, und man ge- 
langte auf diesem Wege leichter zur Erkenntnis jener Ausdrucksformen, 
die sich für die einzelnen Bevölkerungscharaktere eignen. e 
5. Mit der Bevölkerungstheorie zusammenhängende Pro- 
bleme. Es liegt außerhalb des Rahmens dieser Darstellung, auch auf 
die von der Bevölkerungstheorie abzweigenden Fragen und Wissens- 
gebiete einzugehen. Hierher gehören zum Beispiel Schätzungen des 
Volksreichtums auf Grund gewisser Anhaltspunkte und Stichproben; 
die Frage ‚nach dem wirtschaftlichen Wert eines „mittleren“ Mannes 
und einer „mittleren“ Frau, die Frage nach dem wirtschaftlichen Wert 
verschiedener Bevölkerungsklassen, die Frage nach den Kosten der Er- 
ziehung und ihrem wirtschaftlichen Wert u. v.a. Die gegenwärtig wach- 
sende mittlere Lebensdauer scheint auf eine. Erhöhung des wirtschaft- 
lichen Wertes der einzelnen Individuen hinzuwirken, ebenso nimmt 
wahrscheinlich der durehsehnittliche Reichtum des einzelnen zu.) 
ı) Diese Vermutung kann für die meisten Völker Europas in der gegen- 
wärtigen Zeit nicht gelten; der Krieg hat unermeßliche Güter zerstört und eine 
Ungleichheit in der wirtschaftlichen Lage herbeigeführt, bei der eine Durch- 
achnittsbildung keine Berechtigung hat.
	        
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