1. Mesopotamien, Syrien und Kleinasien
Die neuen englisch-amerikanischen Ausgrabungen in Ur in
Mesopotamien, der Heimat des Erzvaters Abraham, 1918/19
vom Britischen Museum unter Leitung von Dr. A. H. Hall be-
gonnen und seit 1922 von diesem Museum in Gemeinschaft mit
dem der Universität von Pennsylvania unter Leitung von
C. Leonard Woolley fortgesetzt), sind die größte archäologische
Überraschung der Neuzeit, denn sie erschließen eine sumerische
Hochkultur um 3000 v. Chr., wo die älteste dynastische Kultur
Ägyptens noch in ihren Anfängen war, wogegen die Funde von
Ur ein technisches Können, eine Goldschmiedekunst, eine Dar-
stellung von Mensch und Tier zeigen, die man sich nur als Er-
gebnis einer langen Entwicklung vorstellen kann. Babylonier
und Assyrer, die späteren Herren des Zweistromlandes, waren
die unmittelbaren Erben dieser Kultur, aber auch die Juden
haben von ihr gezehrt. Die älteste Sternenkunde, die Keil-
schrift, später die Verkehrs- und Diplomatensprache der öst-
lichen Mittelmeerländer, der Gewölbe- und Kuppelbau, die An-
lage von Tempeltürmen, die Schöpfungs- und Sintflutsage
gehen ebenso auf sie zurück wie die berühmte steinerne Ge-
setzessammlung des ersten babylonischen Großkönigs Ham-
murabi, des Amraphel der Bibel, Abrahams Zeitgenossen (um
1900)”), die ihrerseits das assyrische Recht?) und das mosaische
Gesetz®), somit auch den Sittenkodex des Christentums tief
beeinflußt hat. „Die Kultur der Sumerer‘“, sagt Woolley, „war
eins der ersten Antriebsmomente in der Welt. Besonders auf
geistigem Gebiet haben sie sehr deutlich erkennbar auf dem
Weg über das jüdische Volk zur Entwicklung der westlichen
Kulturen beigetragen. Ihre militärischen Eroberungen, ihr
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