Full text: Archäologische Entdeckungen im 20. Jahrhundert

hinwegsetzten. Besser befolgten sie ein anderes Koranverbot, das 
von kostbaren Metallgefäßen, und so entstand als Nachahmung 
des Edelmetalls die Lüsterware der Keramik, die sich in immer 
reicherer Farbenskala und in überraschender Feinheit der Muster 
durch das ganze Mittelalter bis in die Neuzeit fortentwickelt hat. 
„Hätten wir Samarra nicht“, sagt W.Andrae, „so würde die 
spätere islamische Formenwelt unserm Verständnis größten- 
teils verschlossen sein.“ Und diese farbenfrohe Kunst ist nicht 
auf Vorderasien beschränkt geblieben. In Ägypten, in Spanien 
hat sie mit dem Islam Wurzel geschlagen; seit den Kreuzzügen, 
mehr noch seit der italienischen Renaissance hat sie die Orna- 
mentik Europas immer stärker beeinflußt ; manche ihrer Muster 
und Motive sind die unmittelbaren Vorbilder italienischer Orna- 
mentik (z. B. der Fußbodenfliesen im Dom zu Orvieto) und so- 
mit unseres eignen Kunststils geworden. Andererseits hat Sarre 
in der Keramik von Samarra auch die ersten chinesischen Ein- 
flüsse in der islamischen Kunst festgestellt, selbst Reste des 
ältesten, noch unbemalten chinesischen Porzellans der Hanzeit, 
das dadurch genau datierbar wird. Die alte Kalifenstadt eröffnet 
also ungeheure kunstgeschichtliche Perspektiven bis zur Gegen- 
wart, aber noch unmittelbarer fesselt die Großartigkeit ihrer 
Bauten. ; 
Unter ihnen ragt besonders die ungeheure Moschee hervor, die 
den ganzen Hofstaat und die Leibgarde, 100000 Menchen, 'zu 
fassen vermochte. Aber auch der Palast des Kalifen Mutawakkil, 
zu dem man von einem riesigen, hallenumgebenen Wasserbecken 
emporsteigt, ist von gewaltigen Abmessungen. An seinen von 
einer Kuppel überwölbten Mittelbau schließt sich eine Flucht 
von Sälen und Hallen, deren Wandsockel aus ornamentüber- 
sponnenen Gipsplatten bestehen; die schönsten sind in die Isla- 
mische Abteilung der Berliner Museen gekommen. Hinter dem 
Palast folgen zwei weitere Höfe, von Schatzhäusern, Kasernen, 
Wirtschaftsgebäuden und kühlen, unterirdischen Sommerhallen 
eingefaßt ; anschließend ein Tierpark, ein Polospielplatz und eine 
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