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6. Samoa, Burenkrieg und Yangtse-Vertrag
Während die Aufmerksamkeit der Großmächte auf Afrika und den
nahen Orient konzentriert war, vollzog sich auf einem anderen Schau
platz ein Ereignis von größter historischer Tragweite: der Eintritt der
Vereinigten Staaten in die Weltpolitik.
Im Kampf mit Spanien, der im April 1898 ausgebrochen war, blie
ben die Amerikaner nicht nur Sieger im Karaibischen Meer, sondern sie
griffen auch das spanische Kolonialreich in Ostasien an und stürzten
im Verein mit den von Aguinaldo geführten Eingeborenen die allerdings
ziemlich morsche Herrschaft der Spanier auf den Philippinen. Damit
griffen die Vereinigten Staaten zum ersten Male aktiv in außerameri
kanische Angelegenheiten ein. Erst im Laufe der unter Frankreichs
Vermittlung geführten Friedensverhandlungen traten im November die
Amerikaner mit der Forderung voller Abtretung der Philippinen hervor
und Spanien mußte sie bewilligen. Durch Stationierung von Kriegs
schiffen bei Tientsin und einer Schutzwache für die amerikanische Ge
sandtschaft in Peking zeigt Präsident Mac Kinley deutlich, daß die
Vereinigten Staaten sich als mitinteressierte Macht in ganz Ostasien
betrachteten; in seiner Botschaft vom 5. Dezember 1898 sprach er es
ganz offen aus.
In Berlin nahm man an der Entwicklung dieser Dinge ein doppeltes
Interesse: man wünschte keine erhebliche Machtverschiebung in Ost
asien; sollte es aber zu einer Liquidation des dortigen spanischen Be
sitzes kommen, so wünschte man selbst ein Stück davon zu erhalten.
Aus Amerika kamen zu Anfang des Krieges mehrfach Stimmen, die
jede Absicht der Vereinigten Staaten auf eigene Besitzergreifungen
in Ostasien in Abrede stellten. Sogar Admiral Dewey selbst sprach sich
in ähnlichem Sinne aus 1 ). Man brauchte also zunächst nicht zu fürch
ten, hier mit amerikanischen Plänen zu kollidieren.
Die Entsendung eines deutschen Kreuzergeschwaders unter Admiral
von Diederichs nach den Philippinen hatte zunächst den Zweck, den
dort ansässigen Deutschen nötigenfalls Schutz für ihr Leben und Eigen-
x ) Graf Leyden, 5. Mai 1898. Oberkommando der Marine an das Aus
wärtige Amt, 17. Juni.