Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

Neue Verhandlungen mit England 
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sich vielleicht zu einem wirklichen Bündnis verdichten. Der Kaiser 
bemerkte dazu: „Dem armen Mann ist nicht zu helfen! Er bleibt dabei, 
zu Hause uns nicht rüsten, dann bleibt Englands Laune gut! Mehr 
nicht 13 )!“ 
In einem Privatbriefe an Bethmann sprach sich Metternich noch 
deutlicher aus. Er stellte die Frage, ob der Bau eines Schlachtschiffes 
mehr im Jahre die Aussicht auf ein besseres Verhältnis zu England 
und ein günstiges Kolonialabkommen aufwiegen könne? Diese Aus 
sicht werde vielleicht nicht wiederkehren. Wir könnten augenblicklich 
vielleicht gütlich erreichen, was sonst nur nach schwerem Kampfe mit 
ungewissem Ausgang zu haben sein werde. Wenn wir unsere Flotte ver 
stärken wollten, meinte er, sollten wir lieber mehr Unterseeboote und 
kleine Kreuzer bauen. Verstärkten wir unsere Schlachtflotte in gestei 
gertem Tempo, so werde sich in England der Eindruck befestigen, daß 
wir uns zum Entscheidungskampfe rüsteten. „Sie werden hier noch 
stärker rüsten, und der Kampf wird unvermeidlich 14 ).“ 
Der Kanzler fand jedoch die Andeutungen Qreys zu unbestimmt 
Er wies Metternich an, bestimmtere Angebote herauszuholen. Es sei 
zwar unsicher, ob die Aussicht auf größeren kolonialen Erwerb mit 
Englands Unterstützung den Kaiser zum Verzicht auf die Flottenver 
stärkung bestimmen werde, aber man könne es immerhin versuchen 15 ). 
Aber auch die nächsten Unterredungen Metternichs mit Grey 
und Haldane führten nicht zu festen Vorschlägen. Sie versicherten immer 
nur im allgemeinen, daß sie bessere Beziehungen wünschten. Haldane 
warf dabei einmal den Gedanken hin, daß vielleicht eine persönliche Aus 
sprache zwischen Grey und Bethmann von Nutzen sein werde. Der 
Kanzler drängte nochmals auf genauere Sondierung; der Anschein des 
Drängens und Bittens oder des Versuches zur Sprengung der Entente 
müsse vermieden werden und jede Hindeutung auf das neue Flotten 
gesetz, an dem der Kaiser noch festhalte, müsse unterbleiben. Vielleicht 
könnten die Engländer uns sagen, welche Wünsche sie uns gegenüber 
hätten, wir würden dann die unsrigen mitteilen, und so könne ein Ab 
kommen auf breiterer Basis vorbereitet werden. Wir seien nicht länder 
gierig, wollten nicht diesen oder jenen Brocken, sondern die Sicherheit, 
von England in unserer kolonialen Ausdehnung nicht gehindert zu 
werden. Auch die Frage der Bagdadbahn müsse endlich geklärt werden. 
Vor allen Dingen müßten wir klar sehen, bevor der Reichstag zu 
sammentrete. Metternich meinte, das alles biete wenig Aussicht, wenn 
er nicht unsere kolonialen Wünsche genau definieren könne. Wenn 
die Novelle wirklich kommen solle, sei es seines Erachtens besser, die 
ganze Sache bis nach ihrem Bekanntwerden zu verschieben, weil sonst 
13 ) Metternich, 28. November, mit kaiserlichen Randbemerkungen. 
14 ) Metternich an Bethmann, 29. November. 
15 ) Bethmann an Metternich, 6. Dezember.
	        
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