Letzte Versuche
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In einem deutschen Memorandum vom 4. März wurde betont, daß
durch die letzten Mitteilungen die Verhandlungsgrundlage verschoben
werde, während Deutschland entschlossen sei, an der mit Haldane
vereinbarten Basis festzuhalten. Man sei sogar bereit, das dritte der
angeforderten neuen Schiffe, das nach der Novelle 1919 gebaut werden
sollte, zunächst überhaupt nicht auf ein bestimmtes Jahr festzulegen.
Haldane sagte, über die Mannschaftsvermehrung habe er sich in
Berlin nicht geäußert, weil er davon nichts gewußt habe. Grey leugnete
jede Änderung der Absichten; die technischen Erörterungen könnten
das Regierungsprogramm nicht verschieben, welches auf ein Abkommen
mit Deutschland gerichtet sei. Sollte dies schließlich aber auch nicht
Zustandekommen, so werde Haldanes Aufenthalt in Berlin und die ver
trauensvolle Aussprache, die stattgefunden habe, doch eine dauernde
Besserung der Beziehungen zur Folge haben 26 ).
Nach Empfang dieser Mitteilung entwarf der Reichskanzler ein
Programm für sein ferneres Verhalten. Er meinte, auch er sei bereit,
das Vertrauen fortdauern zu lassen, selbst wenn kein Vertrag zustande
komme, falls England das Vertrauen erwidere. Er könne nicht begreifen,
warum sich England so gegen das politische Abkommen sträube. „Ich
bin bereit, die Haldanesche Formel zu akzeptieren, wenn zusätzlich
vereinbart wird, daß im Falle drohender Verwicklung mit andern Staa
ten ein rechtzeitiges Insbenehmensetzen mit dem Partner Platz greift.“
Lehne England jede Formel ab, so werde die Meinung bestärkt, es habe
die Verhandlungen nur begonnen, um die Flottennovelle zu hinter
treiben 27 ).
Am 8. März wurden in Deutschland die ersten Notizen über den
Inhalt der Flottenvorlage in der „Kölnischen Zeitung“ veröffentlicht.
Man sah darin in London ein Zeichen, daß nichts wesentliches mehr an
dem Gesetz zu ändern sein werde, und wurde nun immer schwieriger,
sowohl in den kolonialen wie in den allgemeinen Fragen. Der Staats- '
Sekretär für die Kolonien erklärte, Haldane habe nicht die Vollmacht
gehabt, in dieser Beziehung bestimmte Zusagen zu geben 28 ). Grey
machte am 14. März seinen letzten Vorschlag für das Agreement: „Eng
land wird keinen unprovozierten Angriff auf Deutschland machen noch
sich einem solchen anschließen noch eine aggressive Politik gegen das
selbe befolgen. Ein Angriff auf Deutschland ist nicht Gegenstand und
bildet kernen Teil irgendeines Vertrags, einer Verständigung oder Kom
bination, der England zur Zeit angehört, und es wird keiner Abmachung
beitreten, die ein solches Ziel hat.“ Den von Metternich vorgeschlagenen
Zusatz: „England wird daher selbstverständlich wenigstens wohl
wollende Neutralität bewahren, wenn Deutschland ein Krieg aufge-
2ß ) Metternich, 6. und 7. März.
27 ) Aufzeichnung Bethmanns, 8. März.
38 ) Metternich, 11. März.