Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

Deutschlands Politik 
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siegten, in den Arm zu fallen. „Die Bulgaren, meinte er, sind das Volk 
der Zukunft, und sind in ihrer Entwicklung ebensowenig aufzuhalten 
wie einst Preußen.“ Man dürfe dem natürlichen Drang der Balkan 
völker nach nationaler Ausgestaltung ihrer Staaten nicht in den Weg 
treten, sondern könne nur den Kampfplatz zu begrenzen suchen. Es 
sei besser, wenn dieser Kampf jetzt ausgefochten werde, wo Rußland 
noch nicht kriegsbereit sei, als wenn es später geschehe. Nur ungern 
willigte er in den französischen Vorschlag zu einer vermittelnden Tätig 
keit von Österreich und Rußland im Namen aller Großmächte. Er 
meinte, das sei „eine ganz hoffnungslose Geschichte, die ein testimonium 
paupertatis für Europa ist.“ Dieser Versuch blieb denn auch völlig 
ergebnislos. Der Kaiser hielt es für die wichtigste Aufgabe, mit Eng 
land in Fühlung zu bleiben, und merkwürdigerweise auch mit Tokio 9 ). 
Hoffte er wirklich, daß Japan die Russen im Rücken bedrohen werde, 
wenn es wegen der Balkanfragen zu einem allgemeinen Kriege komme? 
Kiderlen riet, den Verlauf der kriegerischen Ereignisse abzuwarten, 
ohne nach irgendeiner Seite hin feste Verpflichtungen im voraus zu 
übernehmen. Zum praktischen Zusammenarbeiten mit England war 
er bereit und meinte, dies sei wichtiger als papierene Abreden. 
In Wien hatte Graf Berchtold noch Ende September erklärt, es sei 
ein Lebensinteresse der Monarchie, die Besetzung des Sandschaks durch 
die Serben und deren Durchbruch 1 zur Adria zu verhindern 10 ). Ange 
sichts der zurückhaltenden Mahnungen Deutschlands und der Haltung 
Rußlands entschloß man sich aber nach einigem Schwanken, wenn es 
zum Kriege komme, zunächst ruhig Gewehr bei Fuß stehen zu bleiben, 
selbst wenn die Serben den Sandschak besetzen sollten. Nur wenn 
sie ihn definitiv ihrem Staate einverleiben wollten, behielt man sich 
weitere Maßregeln vor 11 ). Für alle Fälle verstärkte man aber auch 
hier seine Streitkräfte an der Südgrenze. 
Nach Petersburg zurückgekehrt versicherte Sassonow dem deut 
schen Botschafter, er werde sein Programm der Nichteinmischung den 
Panslawisten gegenüber festhalten; wenn aber Österreich in den Sand 
schak einrücke oder wenn es in der Türkei zu großen Christenmassakres 
komme, werde das unmöglich sein 12 ). 
Unmittelbar darauf meldeten die russischen Gesandten bei den 
Balkanstaaten, daß der Ausbruch des Krieges nicht mehr aufzuhalten 
9 ) jenisch an das Auswärtige Amt, 2. und 5. Oktober. Kiderlen an 
Bethmann, 4. Oktober. Bemerkungen des Kaisers zu Tschirschkys Bericht vom 
6. Oktober. Jenisch an Kiderlen, 11. Oktober. Kiderlen an Jenisch, !2. Ok 
tober. 
10 ) Stolberg, 27. September. 
u ) Aufzeichnung Kiderlens über eine Mitteilung des österreichischen Bot 
schafters, 10. Oktober. 
12 ) Pourtales, 12. und 15. Oktober.
	        
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