Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

Gefahr eines allgemeinen Krieges 
-4 Brandenburg, Von Bismarck '/.um Weltkrieg 
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Adriahafen lassen wolle, und erklärte, daß er dieser Frage wegen noch 
weniger als um des Sandschaks willen einen Krieg gegen Rußland und 
Frankreich auf sich nehmen werde. Der Dreibund decke nur den wirk 
lichen Besitzstand der Verbündeten, nicht andere Ansprüche. „Das 
würde ich weder vor meinem Volke noch vor meinem Gewissen ver 
antworten können 18 ).“ Der Reichskanzler eilte sofort nach Letzlingen, 
wo der Kaiser sich zur Jagd aufhielt. Er wird ihm vorgestellt haben, 
daß eine so entschiedene Stellungnahme gegen Österreich das Bündnis 
gefährden könne. Der Kaiser blieb dabei, daß ein Zweifrontenkrieg, 
an dem wahrscheinlich auch England auf der gegnerischen Seite teil 
nehmen werde, ein Unternehmen sei, „bei dem alles aufs Spiel gesetzt 
werden muß, eventuell Deutschland untergehen kann“. In einen solchen 
Krieg könne man Albaniens und Durazzos wegen nicht eintreten; das 
Bündnis besage nicht, „daß das deutsche Heer und Volk den Launen 
der auswärtigen Politik eines anderen Staates direkt dienstbar gemacht 
und quasi dafür zur Verfügung gehalten werden muß“. Er gab aber zu, 
daß man Österreich auch nicht im Stiche lassen dürfe. Es müsse be 
wogen werden, Vermittlungsvorschläge anzuhören und zu machen; 
wenn diese von den Mächten gebilligt, von Rußland aber abgelehnt 
würden, so setze der Zar sich ins Unrecht und erwecke den Verdacht, 
als wolle er den Krieg und als benutze er die albanische Frage nur als 
Vorwand. Dann sei Rußland der provozierende Teil und wir hätten 
eine gute Parole für die Mobilmachung. Er gab also soweit nach, daß 
er im Notfall doch für Österreich eintreten und dies nur zu einer 
klügeren Taktik bestimmen wollte. Bethmann war damit zufrieden. 
„Richtige Basis heute wiedergefunden,“ telegraphierte er an Kider 
len 19 ). Dieser ließ nach Wien mitteilen, wir hätten nicht darüber zu 
entscheiden, was Österreichs Interesse in Albanien erfordere; 
wir hätten seine Forderungen diplomatisch unterstützt und 
würden „bei weiteren Ereignissen keinen Augenblick vor Erfüllung 
unserer Bundespflichten zurückweichen“. Wir wünschten nur, daß 
Österreich so verfahre, daß es deutlich als der provozierte Teil vor der 
Welt dastehe. Auch dem serbischen Geschäftsträger ließ er keinen 
Zweifel über Deutschlands Haltung 20 ). 
In der zweiten Novemberhälfte schien man dicht vor einem alk 
gemeinen Kriege zu stehen. Die russische Mobilmachung nahm immer 
größere Dimensionen an, Österreich verstärkte infolgedessen seine Trup 
pen in Galizien. Der alte Kaiser sagte, dieser Entschluß sei ihm schwerer 
geworden als die Mobilmachung 1866. Kriegsminister v. Auffenberg 
meinte, man müsse die Südslawen zur Ruhe bringen, sonst gehe die 
Monarchie in Stücke. Wenn Rußland sich die galizischen Verstärkungen 
18 ) Der Kaiser an das Auswärtige Amt, 7. November. 
19 ) Bethmann an Kiderlen, 9. November. Der Kaiser an das Auswärtige 
Amt, 11. und 15. November. 
20 ) Kiderlen an Tschirschky, 19. November.
	        
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