Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

Demobilisierung 
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er würde ein kriegerisches Vorgehen gegen Serbien wegen des Sand- 
schaks oder des Adriahafens verstanden haben; da beide Fragen be 
seitigt seien, würde er es nicht mehr begreifen. Auch würde für einen 
Krieg aus solchem Anlaß in Deutschland die Zustimmung des Volkes 
fehlen, ohne die große Kriege nicht mehr zu führen seien. Bethmann 
stellte dem Grafen Berchtold eindringlich vor, daß Rußland ohne einen 
ungeheueren Verlust an Prestige Serbien nicht werde im Stich lassen 
können. Er betonte, wie unsicher bei einem Kriege gegen die Entente 
Italiens Haltung sein werde; er sei daher gezwungen ihn zu bitten, 
„mich über die Wege gütigst unterrichten zu wollen, die die Politik der 
k. und k. Regierung im weiteren Verlauf der Krise zu gehen beabsich 
tigt“. Endlich wies er auf die deutliche Annäherung Englands hin, 
die, wenn sie zu einer Neuorientierung der britischen Politik führe, die 
Chancen für einen künftigen Krieg, falls dieser notwendig werden sollte, 
wesentlich verbessern werde. Ein gewaltsames Vorgehen Österreichs 
werde diese Entwicklung unterbrechen und daher nach seiner Meinung 
„ein Fehler von unabsehbarer Tragweite“ sein. Auch der Kaiser selbst 
regte brieflich beim Erzherzog Franz Ferdinand die Abrüstung an, so 
bald man eines entsprechenden Verhaltens Rußlands sicher sei. Auf 
Umwegen gab man in Wien zu verstehen, daß bei einem Kriege gegen 
Serbien der Bündnisfall nicht ohne weiteres als gegeben betrachtet 
werden könne 43 ). 
Der alte Kaiser Franz Josef hatte schön vor dem Eintreffen dieser 
letzten dringenden Mahnungen, am 2. Februar den Prinzen Hohenlohe 
mit einem eigenhändigen Briefe an den Zaren gesandt, worin er diesem 
beruhigende Zusicherungen über seine Absichten gab. Aber es dauerte 
noch mehrere Wochen, bis man endlich zu einer Vereinbarung über die 
Abrüstung gelangte. Erst am 11. März konnte das Abkommen publiziert 
werden und die Ausführung beginnen. 
Österreich hatte zwar durch die Absperrung Serbiens von der 
Adria einen Erfolg errungen, aber sein eigentliches Ziel, die weitere 
Stärkung Serbiens zu verhindern, nicht erreichen können. Es mußte 
jetzt sehr ernstlich überlegen, wie es sich in Zukunft zu den vergrößer 
ten Balkanstaaten stellen wolle. Das Bündnis mit Rumänien war im 
Februar und März 1913 seitens aller Dreibundmächte bis 1920 erneuert 
worden 44 ) und mußte die Grundlage der künftigen Balkanpolitik bleiben. 
In Berlin riet man dazu, ein gutes Verhältnis zu Serbien anzustreben, 
indem man enge handelspolitische Verbindungen knüpfe. Der Kaiser 
selbst meinte schon im März „Die Politik Wiens Serbien gegenüber 
war verfehlt! Man suche den Fehler zu redressieren und gewähre Ser 
43 ) Herzog Albrecht von Württemberg über ein Gespräch mit dem Erz 
herzog, 2. Februar. Moltke an Jagow, 6. Februar. Bethmann an Berchtold, 
10. Februar. Moltke an Conrad v. Hötzendorf, 10. Februar. Der Kaiser an 
Erzherzog Franz Ferdinand, 24. Februar. 
41 ) Text bei Pribram 1, 107.
	        
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