Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

Lage Österreichs 
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gewesen und befand sich noch im Kriege mit Bulgarien. Sie forderte 
Adrianopel zurück. Vergebens drohten ihr die Mächte der Entente 
Blockade und Warenboykott an, wenn sie es nicht bei der in London 
festgesetzten Grenzlinie Enos-Midia bewenden lasse. Deutschland be 
teiligte sich an diesen Schritten nicht. Der Kaiser hielt sie für wir 
kungslos und hoffte im Stillen, falls es doch zum Einschreiten komme, 
werde die Verschiedenheit der Interessen Englands, Rußlands und Frank 
reichs in der Dardanellenfrage grell zutage treten und vielleicht die 
Entente sprengen 52 ). Vielleicht fürchteten das auch die Mächte des 
Dreiverbandes selbst. Jedenfalls gaben sie schließlich ihre Zustimmung 
zu einem Friedensschluß, der Bulgarien nicht nur die Abtretung von 
Adrianopel, sondern auch die von Kirkkilisse auferlegte (29. September). 
Der Friede auf der Balkanhalbinsel war endlich hergestellt, die 
Landkarte völlig verändert, die Türkei bis auf einen kleinen Rest ihres 
alten Gebietes aus Europa verdrängt, Serbien und Griechenland mäch 
tig vergrößert, Bulgarien durch den Kampf aufs äußerste geschwächt. 
Rumänien, ebenfalls vergrößert, schien die stärkste Balkanmacht wer 
den zu sollen. 
Der österreichischen Politik konnte dieser Ausgang nicht angenehm 
sein. Noch beim Ausbruch des zweiten Balkankrieges hatte Graf 
Berchtold erklärt, die weitere Vergrößerung Serbiens und dessen direkte 
Grenznachbarschaft mit Griechenland könne Österreich 1 nicht dulden. 
Jetzt hatte man beides doch zugeben müssen. Ferner hatte Österreich 
sich Rumänien entfremdet, um Bulgarien auf seine Seite zu ziehen. Zwar 
wünschte man auch in Wien, Rumänien möglichst beim Dreibund 
festzuhalten, zweifelte aber, ob dies nach König Karls Tode möglich 
sein würde. Den deutschen Mahnungen zur Verständigung mit Ser 
bien und Griechenland lieh man nur widerwillig sein Ohr. Man lieb 
äugelte beständig weiter mit Bulgarien, obwohl Jagow warnend sagte, 
Versprechungen eines Ertrinkenden hätten wenig Wert und mit Bul 
garien und Rumänien zugleich werde man auf die Dauer nicht Zusam 
mengehen können. Ja, es sei die Quadratur des Zirkels, seufzte Sek 
tionschef Graf Forgach 53 ). 
Man stand den Balkanfragen und dem ganzen südslawischen Pro 
blem nach wie vor ratlos und planlos gegenüber, immer nur von der 
Furcht beseelt, daß weitere Mißerfolge nach außen das innere Gefüge 
der Monarchie völlig zersprengen könnten. 
Auch für Deutschland war diese offenbare Schwäche und Plan 
losigkeit des Verbündeten sehr unangenehm. Sie konnte verhängnisvoll 
werden, da Österreich die deutsche Regierung nie rechtzeitig über 
seine Absichten unterrichtete — oft, weil es selbst nicht wußte, was es 
wollte — und trotzdem stets bedingungslose Unterstützung verlangte* 
52 ) Der Kaiser an das Auswärtige Amt, 16. August. 
53 ) Aufzeichnung Jagows, 26. September.
	        
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