Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

Zukunft der asiatischen Türkei 
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lieh von einer Seite gestellt werden dürften. Lasse man in den einzel 
nen Teilen des Reiches Instruktoren und Beamte einer einzelnen 
Nationalität zu, so bereite man die Aufteilung vor. Aber auch ein 
Zusammenarbeiten aller Mächte bei dieser Reformarbeit würde wenig 
ersprießlich sein; gute Aussichten biete nur ein solches von England 
und Deutschland. Auch England könne keine Teilung wünschen, die 
den Russen Konstantinopel und den Deutschen Mersina gäbe. Die 
leitenden türkischen Staatsmänner wünschten diesen Ausweg; England 
und Deutschland zusammen könnten alles erreichen, was sie wollten. 
Ihre gemeinsame Arbeit an dieser Stelle könne aber auch ihr all 
gemeines Verhältnis zueinander bessern 4 ). 
Bald darauf erfuhr man, die Türkei habe die Reform ihres gesamten 
Zivildienstes in Englands Hand gelegt. Siebzehn höhere englische Be 
amte hätten ursprünglich dorthin abgehen sollen, Grey habe aber 
schließlich nur fünf zugesagt und die kleinasiatischen Gebiete von ihrer 
Wirksamkeit ausgeschlossen, aus Rücksicht auf Rußlands und Frank 
reichs Empfindlichkeit. Lichnowsky wurde beauftragt, unserer Befrie 
digung darüber Ausdruck zu geben, daß England sich von einem Ein 
griff in Gebiete ferngehalten habe, wo wir auf Grund unserer bisherigen 
Leistungen Anspruch auf die leitende Rolle bei den Reformen erheben 
müßten; er sollte eine loyale Zusammenarbeit zur Erhaltung der asiati 
schen Türkei anregen. Er erklärte in London ausdrücklich: Sollte es 
zur Abgrenzung von Interessensphären kommen, so müßten auch wir 
unseren Anteil in Anspruch nehmen. Grey erwiderte, daß auch er die 
Türkei zu erhalten und zu kräftigen wünsche und meinte, alle Mächte 
müßten dabei mitwirken 5 ). 
Von russischer Seite wurde ein anderes Projekt vorgelegt, das 
die sechs östlichen Vilajets zu einem engeren Verbände unter einem 
Generalgouverneur zusammenfassen sollte. Wahrscheinlich wollte man 
selbst eine Art Protektorat darüber ausüben. Graf Pourtales meinte 
allerdings, so sicher es sei, daß Rußland die ganze Nordküste Klein- 
asiens als sein zukünftiges Eigentum betrachte, so sei doch zu er 
warten, daß man zunächst abwarten und die Dinge reifen lassen werde, 
da man wisse, daß England einer Teilung abgeneigt sei 6 ). 
Jagow war sich darüber klar, daß Deutschland schwerlich 1 imstande 
sei, in Vorderasien „große Gebiete einfach zu annektieren und sie mit 
preußischen Landräten und anderen Administrativ-Organen zu über 
schwemmen“. Man müsse eine gewisse Dezentralisation anstreben, in 
den einzelnen Provinzen Generalgouverneure oder Vizekönige, die all 
mählich in ein Protektoratsverhältnis nach ägyptischem Vorbild gebracht 
werden könnten. Man müsse den Zerfall der Türkei möglichst aufhalten. 
4 ) Wangenheim, 21. Mai. 
5 ) Jagow an Lichnowsky, 27. Mai. Lichnowsky, 30. Mai. 
6 ) Wangenheim, 23. Juni, 8. Juli. Pourtales, 26. Juni und 3. Juli.
	        
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