Englisch-russische Marinekonvention
Brandenburg, Von Bismarck xum Weltkrieg--
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gesorgt werden, jede verschiedenartige Behandlung von Personen und
Gütern auf den Bahn- und Schiffslinien ausgeschlossen sein.
Dieser Vertrag wurde, nachdem noch einige den Sinn nicht be
rührende Änderungen des Wortlauts vorgenommen waren, am 15. Juni
1 Ql4 in London paraphiert, darauf sofort dem Kaiser vorgelegt und
genehmigt. Die endgültige Unterzeichnung wurde von deutscher Seite
verzögert, weil man vorher mit der Türkei über die finanzielle Sicher
stellung des Weiterbaues bis Basra einig zu werden wünschte. Da diese
Verhandlungen jedoch auf Schwierigkeiten stießen, beantragte Bethmann
am 22. Juli, als die große Weltkrise in unmittelbare Sehweite kam, die
Vollmacht zum sofortigen definitiven Abschluß. Sie wurde am 27. Juli
erteilt, am 30. Juli an Lichnowsky abgesandt. Als sie in London an
kam, war dort die Kriegserklärung schon so gut wie beschlossen, und
der Ausbruch des Kampfes setzte auch diesen Ausgleichsbemühungen
ein Ziel.
Diese Verhandlungen verfolgten im Sinne des Reichskanzlers und
Lichnowskys nicht nur den Zweck, einige alte Differenzpunkte zu be
seitigen, sie sollten vielmehr in Südafrika und Vorderasien eine deutsch
englische Interessengemeinschaft in wichtigen Fragen, eventuell den
Boden für gemeinsames Vorgehen zur Verteidigung dieser Interessen
gegen dritte schaffen. So hatte auch die französisch-englische und die
russisch-englische Entente begonnen. Man hoffte wohl, daß später
noch ein Abkommen über die Balkan- und Meerengenfrage folgen
werde. Immer wieder betonte Lichnowsky, man müsse in ihrem Ab
schluß ein Zeichen erblicken, daß die englischen Staatsmänner einer
kolonialen Entwicklung Deutschlands nicht im Wege stehen wollten,
soweit sie nicht etwa englische Lebensinteressen gefährde.
In Paris und Petersburg sah man diese Annäherung mit höchst
besorgten Blicken sich vollziehen. Man wurde zwar von London aus
über deren allgemeine Grundzüge unterrichtet und erhielt die beru
higende Versicherung, daßi die Beziehungen zu den Verbündeten da
durch nicht berührt würden; aber man war keineswegs erfreut über
diese Wendung. Die krampfhaften Versuche Rußlands, im Frühling
1914 die Entente mit England zu einem förmlichen Bündnis aus
zugestalten, entsprangen zweifellos dem Wunsche, England fester als
bisher zu binden und ihm das Kokettieren mit Deutschland zu er
schweren. Gelegentlich des Besuches, den König Georg, von Grey
begleitet, Ende April 1914 in Paris abstattete, brachte den französischen
Minister Doumergue auf Rußlands Wunsch die Frage zur Sprache.
Er war erstaunt, Grey zu Verhandlungen über eine Marinekonvention
mit Rußland, die er zunächst anregte, persönlich geneigt zu finden;
auch von dem Briefwechsel zwischen Grey und Cambon aus dem No
vember 1912 wurden die Russen jetzt in Kenntnis gesetzt.
Die Verhandlungen über die Marinekonvention begannen, nach
dem das englische Ministerium Greys Zusage gebilligt hatte, und zwar