27 Brandenburg, Von Bismarck zum Weltkrieg
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Das Ultimatum an Serbien
dern, daß jeder Schritt, der getan werde, vorher genau mit Deutsch
land vereinbart werden müsse? Wenn wir die Folgen mit auf uns
nehmen sollten, wenn wir die ganze Blüte unserer Wirtschaft, das
Leben vieler Tausende aufs Spiel setzen sollten für die Erhaltung der
Protektorstellung Österreichs auf der westlichen Balkanhalbinsel, so
konnten wir wenigstens verlangen, daß kein Schritt ohne unsere Zu
stimmung geschehe. Nur dann konnten wir wirksam darauf dringen,
daß jede Maßregel unterblieb, die Österreich als den Angreifer er
scheinen lasse. So aber mußten wir für die gesamte, uns in ihren End
zielen unbekannte Politik Österreichs die volle Verantwortung auf uns
nehmen, weil wir ja von vornherein alles gebilligt hatten, was man
in Wien tun würde.
Allerdings hatte man in Berlin noch einen besonderen Grund,
nicht stärker auf Mitteilungen über die Einzelheiten der geplanten
Aktion und den Wortlaut des vorbereiteten Ultimatums zu dringen.
Man glaubte, dann den übrigen Mächten sagen zu können, die Sache
betreffe ausschließlich Österreich und Serbien, und Deutschland sei
an ihr nicht beteiligt. Dadurch hoffte man auch' Rußland von der
Einmischung zurückhalten, den Konflikt „lokalisieren“ zu können.
Ob dieser Standpunkt aber haltbar sein würde, ob diese Behauptung
bei den andern Glauben finden würde, mußte von vornherein als recht
zweifelhaft erscheinen.
Das österreichische Ultimatum verlangte folgendes: Zunächst die
Veröffentlichung einer im Wortlaut vorgeschriebenen Erklärung im
serbischen Regierungsblatt, wonach die Regierung alle Bestrebungen
verurteilte, die auf Loslösung österreichisch-ungarischer Gebiete von
der Monarchie hinzielten, und mit äußerster Strenge gegen jeden
vorgehen werde, der sich derartiger Handlungen schuldig mache.
Ferner die Unterdrückung jeder gegen Österreich gerichteten Publi
kation, die Auflösung des Vereins „Noradna Odbrana“, die Entfernung
jeder gegen Österreich gerichteten Propaganda aus Schule und Lehr
mitteln, sowie die Entlassung derjenigen Offiziere und Beamten, die
Österreich ihr bezeichnen würde. Ferner die Erlaubnis, daß öster
reichische Organe bei der Bekämpfung der Propaganda mitwirkten, Ein
leitung einer gerichtlichen Untersuchung gegen die auf serbischem
Boden befindlichen Teilnehmer der Verschwörung vom 28. Juni unter
Teilnahme österreichischer Spezialdelegierter und Anordnung bestimmter
zur Aufklärung des Verbrechens nötiger Maßregeln, endlich Aus
kunft über feindselige Äußerungen hochstehender serbischer Beamten.
Unter diesen Forderungen war namentlich die Mitwirkung österreichi
scher Organe bei der Unterdrückung bestimmter Bestrebungen auf ser
bischem Gebiet ein zweifelloser Eingriff in die serbische Souveränität.
Abgesehen davon waren der kategorische Ton der Note und die kurze
Frist von 48 Stunden, die für die Beantwortung gestellt wurde, besondere
Verschärfungen des ganzen Schrittes. Wir wissen, daß das nicht etwa