Die serbische Antwort
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sicht nach nicht die Rede sein könne, weil damit der österreichisch-
serbische Streit sozusagen vor das Tribunal Europas gezogen würde;
anders werde die Sache liegen, wenn Rußland sich einmischen sollte;
dann würde eine solche Vermittlungsaktion möglich sein.
Österreich lehnte die Fristverlängerung ab, gab aber auf Deutsch
lands Rat nach Petersburg die Erklärung, daß es keine Gebiets
erweiterungen auf Kosten Serbiens erstrebe, und daß auch nach dem
Abbruch der diplomatischen Beziehungen keine militärischen Maßnah
men gegen Serbien Platz greifen sollten, falls man sich dort noch nach
träglich zur Annahme der gestellten Forderungen entschließe.
Serbien selbst rief Rußlands und der Mächte Hilfe an; es sei zu
Konzessionen bereit, aber könne sich die Richtung seiner Politik, den
Verzicht auf bestimmte Ideale nicht vorschreiben lassen. Es werde
indessen alles annehmen, wozu der Zar ihm raten würde.
Mit allgemeiner Spannung erwartete man den Abend des 25. Juli,
an dem die serbische Antwort erfolgen sollte. Wenige Minuten vor
dem Ablauf der Frist erschien Ministerpräsident Paschitsch in der
österreichischen Gesandtschaft und übergab eine Note, worin er be
stritt, daß von seiten der Regierung irgend welche illoyale Handlungen
vorgekommen seien. Für die Äußerungen von Privatleuten sei sie
nicht verantwortlich. Sie sei bereit, gegen alle Personen einzuschreiten,
die einer Mitschuld an dem Attentat von Serajewo überwiesen werden
könnten und hätte erwartet, zur Mitwirkung bei den Nachforschungen
eingeladen zu werden. Die geforderte Erklärung im Regierungsblatt
wollte sie mit einigen leichten Veränderungen veröffentlichen. Sie
wollte ferner die Verfassung und das Preßgesetz der Skuptschina zur
Veränderung vorlegen, damit derartige Äußerungen, wie sie Österreich
beanstandete, bestraft werden könnten. Sie wollte die Narodna Od-
brana auflösen, die Propaganda aus den Schulen entfernen und die
beschuldigten Beamten und Offiziere entlassen, sobald durch eine ge
richtliche Untersuchung festgestellt sei, daß sie solche Handlungen
begangen hätten, wie sie ihnen zur Last gelegt würden. Bezüglich der
Mitwirkung österreichischer Organe bat sie um eine nähere Erläute
rung, was damit gemeint sei. Die Teilnahme von Spezialdelegierten
an der Untersuchung gegen die der Teilnahme an dem Attentat ver
dächtigen Personen könne sie nicht bewilligen, da das eine Verletzung
der Verfassung sein würde. Jedoch könne in einzelnen Fällen Mitteilung
von dem Ergebnis der Untersuchung gemacht werden. Die übrigen
kleineren Forderungen wurden zugestanden. Zum Schluß war gesagt,
daß Serbien bereit sei, falls Österreich diese Antwort nicht für genügend
erachten sollte, die Entscheidung des internationalen Gerichtshofes
im Haag oder der Mächte anzunehmen.
Obwohl eine ganze Anzahl der gestellten Forderungen ange
nommen, über andere eine weitere Verhandlung für möglich erklärt,
und nur in einem einzigen Falle (der Mitwirkung von Delegierten bei