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Kriegserklärung’ an Serbien
genauere Erklärungen geben, durch die verbürgt werde, daß eine
Antastung der serbischen Souveränität nicht beabsichtigt sei. Die
Mächte würden nach Empfang dieser Erläuterungen Serbien zur be
dingungslosen Annahme des Ultimatums raten. Dadurch werde Öster
reichs Forderung formell erfüllt, gleichzeitig aber auch Serbien seine
Lage erleichtert, weil es nun dem vereinigten Wunsche der Mächte
nachkomme und dafür deren Bürgschaft empfange, daß seine Sou
veränität nicht verletzt werden solle. Dieser Vorschlag scheint merk
würdigerweise auf keiner Seite ernste Beachtung gefunden zu haben.
Jetzt trafen auch die ersten Nachrichten von weiteren kriegerischen
Maßnahmen ein. Die deutschen Konsuln in Odessa und Kiew meldeten
bereits am 26. Juli den Beginn der Mobilisation im südlichen Rußland.
Zwar bestritt der russische Kriegsminister, von dem deutschen Militär-
Attache zur Rede gestellt, daß irgendeine Mobilisationsmaßregel getrof
fen sei, da man erst mobilisieren wolle, wenn Österreich Serbien tat
sächlich angreife, und auch dann nicht gegen Deutschland, sondern
nur gegen Österreich; aber es kann keinem Zweifel unterliegen, daß
diese Angabe nur darauf berechnet war, den deutschen Vertreter irre
zu führen. Zwar war noch kein direkter Mobilmachungsbefehl ergan
gen, wohl aber am 25. Juli die Vormobilmachungsperiode verkündet
worden; unter dieser harmlos scheinenden Verhüllung wurden bereits
weitgehende Kriegsmaßnahmen eingeleitet. Daß Rußland aber schon
vor dem 26. Juli Maßregeln getroffen habe, die als Teile der Mobil
machung aufzufassen seien, ist zwar immer wieder behauptet, aber
bisher niemals mit voller Klarheit nachgewiesen worden.
Am 27. Juli brach Frankreich seine Manöver plötzlich ab und
England, dessen Flottenmanöver eben beendigt waren, beschloß, seine
Flotte nicht zu demobilisieren, sondern in Kriegsstärke zusammen zu
behalten.
Am 28. Juli 11 Uhr vormittags erfolgte auf telegraphischem Wege
die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, wodurch eine neue
Verschärfung der Situation herbeigeführt wurde. Gleichzeitig lehnte
Österreich es ab, auf Grund der von Serbien erteilten Antwort mit
den vier Mächten oder mit Rußland zu verhandeln. Es werde in eine
direkte Verhandlung mit Rußland überhaupt nur dann eintreten, wenn
dieses sich verpflichte, sein kriegerisches Vorgehen gegen Serbien
nicht zu verhindern.
Bis zum 27. Juli war die öffentliche Meinung des Auslandes nicht
ungünstig für Österreich gestimmt gewesen. Selbst das scharfe Ulti
matum hatte man noch nicht allzu tragisch genommen, weil man es
als eine erste Forderung ansah, bestimmt, Unterhandlungen einzuleiten,
die dann zu einer Verständigung führen könnten. Erst am 27. Juli
wurde die serbische Antwort in ihrem vollen Wortlaut bekannt, und
sofort setzte überall ein Umschlag der Stimmung ein. Man fand es
unbegreiflich, daß Österreich nach einer so entgegenkommenden Er-