Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

Deutsche Kriegserklärung an Rußland 
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'Man war im deutschen Qeneralstab mit Recht davon überzeugt, daß 
Rußland schon nach Verkündung der Teilmobilmachung gegen Öster 
reich am 29. Juli, ja eigentlich schon seit dem 25. Juli in der Stille 
seine gesamte Armee mobilisiere, und daß man die eigenen Chancen 
in unverantwortlicher Weise verringere, wenn man den Gegnern Zeit 
lasse, diesen Vorsprung noch zu vergrößern. Man hatte dem, wie 
wohl schweren Herzens, zusehen können, solange noch Aussicht be 
stand, daß der Krieg vermieden werden könne. Sobald es sicher schien, 
daß gekämpft werden müsse, wäre es unverantwortlicher Leichtsinn 
gewesen, die Russen ihren Aufmarsch in aller Ruhe vollenden zu lassen, 
während wir selbst nichts taten. Daher mußte die deutsche Mobili 
sierung folgen. Da aber der Aufmarschplan naturgemäß den kriege 
rischen Operationsplan für die ersten Kriegstage einschließt, so ist es 
unmöglich, den begonnenen Aufmarsch an der Grenze auf unbestimmte 
Zeit anzuhalten, ohne den gesamten Mobilmachungsplan mit seinen 
sorgfältigen Fahrplanberechnungen in vollständige Unordnung zu 
bringen. Selbst wenn dies aber technisch möglich gewesen wäre, so 
hätte ein solches Stillstehen an der Grenze nach erfolgter Mobili 
sierung wiederum den Russen Zeit gelassen, ihren weit schwierigeren 
Aufmarsch ungestört zu Ende zu bringen. Daher konnte man nach 
Beginn der Mobilisation nicht abwarten, ob und wann Rußland uns 
den Krieg erklären würde, sondern mußte in irgendeiner Form die 
formelle Kriegserklärung in kurzer Frist herbeiführen. Man sah in 
Berlin keine andere Möglichkeit, dies zu erreichen, als die Stellung 
eines kurzfristigen Ultimatums. Obwohl man sich nicht verhehlte, daß 
wir durch dies Vorgehen den Gegnern die Möglichkeit gaben, uns 
als die Angreifer hinzustellen, glaubte man dies Bedenken gegenüber 
der militärischen Notwendigkeit zurückstellen zu müssen. Auch ver 
ließ man sich in etwas naiver Weise darauf, daß doch schließlich jeder 
vernünftige Mensch einsehen werde, daß nicht derjenige der wahre 
Angreifer zu sein brauche, der die Kriegserklärung ausspreche. Ob 
es einen anderen Weg gegeben hätte, das Ziel zu erreichen, ob man 
es nicht schließlich lieber darauf hätte ankommen lassen sollen, wie 
die Kriegshandlungen sich ohne vorausgegangene Kriegserklärung ent 
wickeln würden, mag dahingestellt bleiben. 
Die Kriegserklärung Österreichs erfolgte erst einige Tage später. 
Noch schwieriger gestaltete sich das Verhältnis zu Frankreich seit 
dem 31. Juli. Bisher hatte man in Paris streng die Rolle des unpar 
teiischen, lediglich um die Erhaltung des Friedens bemühten Zuschauers 
innegehalten. Die Regierung durfte der Welt, und namentlich der 
englischen Öffentlichkeit nicht zeigen, wie dringend sie den Krieg 
wünschte. Ja selbst der Friedensliebe weiter Kreise, vermutlich der 
großen Mehrheit des französischen Volkes gegenüber wäre es ge 
fährlich gewesen, sich irgendwie unvorsichtig vorzuwagen. Man rech 
nete bestimmt damit, daß Deutschland schließlich durch die mili-
	        
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