Ergebnis
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geglaubt. So oft das Gespenst dieser Befürchtung auftauchte, immer
wieder hatte man es mit der Hoffnung verscheucht, daß schließlich
doch keine der in Frage kommenden Regierungen wagen werde, die
Lunte an das Pulverfaß zu legen und um verhältnismäßig geringer Streit
fragen willen das wirtschaftliche und kulturelle Leben Europas und
besonders des eigenen Landes voller Zerstörung auszusetzen. Man
kannte die anderen nicht genug, und lieh ihnen viel zu sehr die eigenen
Gesinnungen, ein Fehler, der vielleicht im deutschen Charakter be
gründet liegt. Weil unsere Staatsmänner sich dessen bewußt waren,
daß sie selbst zur Erreichung irgendeines momentanen Vorteils nie
mals die Verantwortung für einen großen Krieg übernehmen würden,
glaubten sie, die gleiche Gesinnung nicht nur bei den englischen,
sondern auch bei den französischen und russischen Politikern voraus
setzen zu dürfen. Sie taten dies, obwohl es an Warnungen von seiten
unserer diplomatischen Vertreter nicht gefehlt hatte.
So scheinen mir gerade die Fehler und Überstürztheiten der letzten
Tage, und das Fehlen jedes vorbereiteten diplomatischen Feldzugs
planes deutlicher als alles andere zu beweisen, daß bei uns weder der
Kaiser noch seine maßgebenden Ratgeber im vollen Ernst an die nahe
Möglichkeit eines Weltkrieges geglaubt haben. Wer so unvorbereitet
einer großen Katastrophe entgegengeht, kann sie kaum ernstlich be
fürchtet, ganz gewiß nicht gewollt und selbst absichtlich herbeigeführt
haben.