Full text: Von Bismarck zum Weltkriege

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19. Schlußbetrachtung 
Wir haben einen weiten, windungsreichen Weg durchmessen, 
Blicken wir von dem erreichten Punkte noch einmal auf das Ganze 
zurück. 
Überschauen wir die deutsche Politik seit Bismarcks Sturz im 
Großen, so lassen sich, glaube ich, zwei Perioden klar voneinander 
sondern. Die erste endigt mit dem Scheitern der deutsch-englischen 
und der deutsch-russischen Bündnisverhandlungen, also etwa mit dem 
Jahre 1905, die zweite beginnt mit der Bildung der Entente, also 1907; 
dazwischen liegt eine kurze, aber wichtige Zeit der Neugruppierung. 
Die erste dieser Perioden ist gegenüber der Bismarckschen Zeit 
gekennzeichnet durch das viel stärkere Hervortreten des Motivs der 
kolonialen Expansion, eine notwendige Folge der mächtigen weltwirt 
schaftlichen Entwicklung. Die rein europäische Orientierung der deut 
schen Politik hört auf, die „weltpolitische“ Einstellung beginnt. Es ist 
selbstverständlich, daß unter den gänzlich veränderten Verhältnissen die 
rein kontinentale Einstellung der früheren Periode für unsere Politik 
nicht beibehalten werden konnte. Bismarck selbst würde sich dieser 
Erkenntnis gewiß nicht verschlossen haben, wie ja bereits seine Wen 
dung zur Kolonialpolitik in den achtziger Jahren erkennen läßt. Aber 
ebensowenig ist daran zu zweifeln, daß für ihn die Sicherung unserer 
europäischen Stellung immer das oberste Ziel geblieben sein würde, 
und daß er der Gewinnung neuen Besitzes in fernen Erdteilen niemals 
einen entscheidenden Einfluß auf unsere Gesamtpolitik eingeräumt 
haben würde. Es galt, mit größter Vorsicht und Beharrlichkeit unsere 
weltpolitische Stellung auszubauen, ohne die Sicherheit des Reiches 
selbst zu gefährden. Das war um so schwieriger, als die Aufteilung 
der Erde seit den achtziger Jahren ein sehr schnelles Tempo angenom 
men hatte, als infolgedessen das Streben, von dem noch verfügbaren 
Rest möglichst viel zu erhalten, bei allen Kolonialmächten bis ins Krank 
hafte gesteigert war, und daher mit jeder eigenen Erwerbung neue 
Reibungs- und Konfliktsmöglichkeiten geschaffen wurden. 
Bismarck hatte bereits erkannt, daß der Ausbau unseres Kolonial 
reiches ohne schwere Gefahren für uns selbst nur dann möglich sei,
	        
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