Full text: Kritik der Schleiermacherschen Glaubenslehre

Symbolisiren abzustreifen. Der Supernaturalist sucht das Posi 
tive zu erhalten und die Tradition, sei sie auch noch so seltsam, 
auf jede Weise anzuerkennen. Ohne ein Gegebenes sich voraus 
zusetzen, was verneint oder bejaht wird, ist der eine so leer als 
der andere. Daher ist die scientisische Darstellung in beiden 
Fällen eine formelle Synthesis der Gelehrsamkeit und des raison» 
nircnden Verstandes. Es ist eine trübe Confuston des historisch 
Gegebenen und des äußerlichen, lose reflectirendcn Denkens, wel 
che die Dogmatik zu einem wahren Chaos der heterogensten Ge 
sichtspuncte zusammenmischt. Exegese, Kirchen- und Dogmenhi 
storie, Wölfische und Kantische Philosophie und die Sätze der 
synkbolischen Bücher schwanken in diesem Bachanal des Verstan 
des so entsetzlich durch einander, daß man in der heillosen Ver 
wirrung nur sich als den consequcnten Faden übrig behält. 
Der Ingrimm, mit welchem Daub's Werk von der Selbst 
sucht in der dogmatischen Theologie jetziger Zeit aufgenommen 
worden, die ungestüme Hastigkeit, mit welcher man ihm den 
Vorwurf der Selbstsucht als einen Hegelomanen zurückzugeben 
suchte, beweist nur zu sehr, daß er leider Recht hat. Und forderte 
seine Schrift nicht ein gebildetes Denken heraus, so würde die 
Empörung noch allgemeiner sein, weil man sich noch tiefer ge 
troffen fühlen würde, während jetzt Viele Vieles nicht verstehen. 
Dieser Bildung der Dogmatik gegenüber geht das sp ec li 
la tive Princip davon aus, daß der Geist an und für sich unge 
trennt die Wahrheit und das Wissen derselben sei und daß der 
Mensch Gott in und durch ihn selbst zg erkennen vermöge. Um 
sich zu solcher Erkenntniß Gottes zu erheben, muß der Mensch 
sich selbst in seiner Subiectivität überwinden und sich ihrer ent 
äußern; umgekehrt entäußert Gott in demselben Act für den Er 
kennenden sich seiner selbst, macht sich ihm offenbar und geht in 
den ihn denken wollenden Menschen ein. Die Schrift drückt sich 
über !-.ese Einigung so aus, daß Gott sich uns nahet, wenn 
wir uns zu ihm nahen. So nur ist eine absolute Erkenntniß 
Gottes wirklich, weil Gott sich selbst im Menschen und der 
Mensch sich in Gptt offenbar wird. Das speculative Princip 
hat also das Wissen Gottes von sich selbst zu seinem Anfang
	        
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