20 B. 2, K. 1, 811. Kirchenregiment unter Herzog Adolf
das ihre zukommen liesi, den theologisch-konfessionellen Fragen gleichgültig, ja so
„weitherzig“ gegenüberstand, das er kein Bedenken trug, 1572 unter Herzog Alba
die cvangelischen Niederländer zu bekämpfen).
Neben der Person des Fürsten war natürlich diejenige des leitenden Staats—
beamten für das Kirchenregiment von besonderer Wichtigkeit. Der mächtigste
Mann an Herzog Adolfs Hose war Dr. jur. Adam Tratziger, der ihm
schon seit 1866, während er noch Syndicus der Stadt Hamburg war, als Berater
diente und von 1558 bis zu seinem Tode 1584 den Gottorfer Kanzlerposten inne
hatte. Dr. Tratziger war „ein tüchtiger Jurist, aber ehrgeizig, hochmütig und streit—
füchtig“““). Er stand der Religion und Kirche mit ziemlicher Nichtachtung gegen—
äber, den „Pfaffen““ und allem kirchlichen Selbstbewußtsein war er ein aus—
gesprochener Gegner. Wenn gerade in Gottorf von vornherein die absolute Unter—
ordnung der Kirche unter den „Staat“ und die Ueberordnung des juristischen über
das geistliche Regiment stark hervortritt, so hat dazu neben den hessischen Ein—
flüssen ohne Frage dieser gewalttätige und rücksichtslose Mann besonders bei—
getragen. Sein tragisches Ende — er kam auf einer Fahrt von Hanburg nach
Gottorf durch einen Sturz vom Wagen plötzlich um — ward von kirchlicher
Seite als ein Gottesgericht betrachtet.
Die — Unverfrorenheit des Herzogs zeigte sich in ihrem schönsten Glanze, als
er, der Kriegsmann, sich zum — Bischof machte. Schon lange hatte er seine
degehrlichen Blicke auf die Güter des Schleswigschen Stiftes gerichtet, zumal deren
Hauptteil, das Bischofsgut Schwabstedt, so bequem innerhalb seines Gebietes lag.
Obwohl Bischof Friedrich im Jahre 1553 König Christian und dessen Sohne
—
Willen das Stift nicht in andere Hände kommen zu lassen, wußte Adolf von dem
sterbenskranken Bruder ein Dokument zu erreichen, das ihm die Rechtsnachfolge
iicherte.
Mit diesem Dokument in der Hand begehrte er sofort vom Kapitel seine Wahl
zum Bischof. Die Domherren waren in übler Lage. Einerseits war ihnen
dewußt, daß der oberste Patron des Stiftes, der König, es strengstens verboten
hatte, ohne sein Wissen und Wollen eine Bischofswahl vorzunehmen. Auderer—
leits war Adolf ihr Landesherr, und sie wußten wohl, daß er von seiner Macht
als solcher rücksichtslos Gebrauch machen würde. Da Adolf es übernahm, sie
bei dem König zu entschuldigen und ihnen — was natürlich die Hauptsache für sie
war — in bündigster Form ihre Privilegien und Güter garantierte, überwanden
sie ihre Bedenken und „ wählten“ im November 18556ihren Lan—
desherrn zum Bischof und Administrator des Stiftes.
Der König war aufs äußirste erzürnt, erklärte die Wahl für ungültig und drohte
dem Kapitel mit Disziplinarmaßnahmen. Alle Entschuldigungen und Rechtferti—
gungsversuche Adolfs halfen nichts: wenn der König auch keine besonderen Maß—
nahmen ergriff, so weigerte er sich doch bis zu seinem Tode die Wahl zu bestätigen.
Erst als sein Nachfolger, Friedrich II. für den Krieg mit Schweden der Hilfe
) Hierauf bezieht sich die bekannte, von Krafft S. 12 mitgeteilte Anekdote von dem
Freimut des Husumer Pastors Peter Bokelmann „welcher, als der Herzog nach seinem
niederländischen Feldzug in Hnsum gelandet war, das vorgeschriebene Dankgebet in der Kirche
in dessen Gegenwart also erledigte: „Wir danken billig dem allerhöchsten Gott, der unserm
znädigen Landesfürsten mit guter Gefundheit wieder anhero verholfen. Aber wem hat er ge—
dient? Dem Teufel und seiner Mutter!“
) Andresen S. 181. Ausier dort S. 1812183 vgl. über ihn Moller II, 895 u. a.