Flensburger Gelehrtenschule
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Herzog Adolfs Gründung des Schleswiger „Pädagogiums“ mittelbar verursacht,
mindestens aber, wenn der Plan schon früher bestand, beschleunigt wurde: da man
dem Gottorfer eine allgemeine „Landesschule“ nicht gönnen wollte, mußte man
darauf bedacht sein, in den andern Landesteilen konkurrente Anstalten zu errichten.
Der gegebene Ort für solche Schule war im königlichen Anteil sein geistlicher
Vorort Flensburg, und hier lag die Sache insofern besonders günstig, als eine
besondere Stiftung dem König und der Stadt es ermöglichte, sie ins Werk zu
setzen, ohne selber zu tief in die Tasche greifen zu müssen. Darin, daß so etwas
ganz anderes herauskam als der Stifter beabsichtigt hatte, liegt ein tragisches
Moment. Der eigentliche Stifter war nämlich Rudolph Maamani (Lütke
Nommensen), eine auch anderweitig höchst eigenartige und bemerkenswerte Per—
sönlichkeit '“).
Geboren in Langenhorn l498, doch auferzogen in Flensburg, wo sein Water
Nomme Johannsen später Ratsherr wurde, trat er auf Wunsch seiner Eltern
schon frühe in das dortige Franziskanerkloster ein, studierte 1820 bis 1528
in Paris und hielt sich später wieder im Flensburger Kloster auf. Mit den andern
Mönchen 1536 wurde auch er vertrieben. Das grosie Vermögen seines Vaters
gestattete ihm jedoch ein qutes Leben und mancherlei Reisen. Um den hochbetagten
Eltern nahe zu sein, kehrte er 1545 nach Flensburg zurück und durfte dort mit
besonderer königlichen Erlaubnis bleiben, unter der Bedingung, daßüer bürgerliche
Kleidung trage und weder predige noch lehre. Da er, wie das den Frauziskanern
dom Ordensgeneral in Dänemark erlaubt war, auf diese Bedingung einging und
sich nach ausien hin stets stille hielt, konnte er bis an sein Lebensende (1575) un—
gestört in seiner Vaterstadt leben, ein merkwürdiges Residuum einer vergangenen
Zeit. Er blieb nämlich innerlich bis an seinen Tod der alten Lehre treu ergeben
und hat in denkwürdigen, teils prosaischen, teils gereimten Schriften dieselbe würdig
oertreten und die „Egenwillischen“ (Evangelischen) maßvoll bekämpft ).
In Ausführung des Testamentes der reichbegüterten Eltern baute Bruder
Naaman auf dem Klosterkirchhofe ein Gebäude, welches 1557 beendet war, und
'etzte zu dessen Unterhaltung jährlich über 000 Mk. aus. Die ursprüngliche Be—
stimmung dieses Gebäudes ist nicht ganz klar. Schließlich, 1800 verfügte Naaman,
daß es „ju einem Gymnasium trilingue et theologicum orthodoxae
ecclesiae“ verwandt werden sollte. Er scheint dabei an eine Bildungsanstalt für
katholische Theologen gedacht zu haben. An eine Ausführung in diesem Sinne
war natürlich nicht zu denken. Aber dem König und dem Magistrat kam die
Stiftung sehr gelegen. Als der Plan einer höheren Lateinschule akut ward, setzte
man sich über das Recht und den Willen des Stifters hinweg und machte aus
dem Gymnasium orthodoxae ecclesiae eineevangelische Gelehr-—
tdenschule. Trotz Naamans Klagen und eines von seinen Erben geführten
Prozesses blieb es bei dieser Verwendung. So kam Flensburg und das königliche
Schleswig billig zu der gewünschten Anstalt.
Nach Aufrichtung des Gymnasiums wurden die beiden bisher in Flensburg be—
stehenden (geringeren) Lateinschulen zu St. Nikolai und St. Marien in städtische
io) Ueber ihn ist mancherlei geschhrieben worden. Neben Moller l, S. 157 -555 vgl. be—
sonders G. Vau, Der Flensburger Franziskanermönch V. N. in der „Kirchlichen Monats
schrift“, Itzehoee 1852, S. 281 — 317, und in seiner Reformationsgeschichte S. 517 ff. Ferner
Heinrich Hansen, Lütke Naamani und seine Schriften in BuM9, S. 107- 251.
Hier auch Bild und Handsjchriftprobe.
un) Seinem Versprechen gemäß hat er von diesen Schriften nie etwas drucken lassen. Sie