Geistliche Leiter
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geübt hätte, ist auch von J-MilIIll, 100 übernommen und dadurch zu einer ge—
dissen communis opinio geworden. Und doch hätte man aus der schon 1874
erschienenen Arbeit Rördams entnehmen koͤnnen, dasi diese Darstellung falsch ist.
Sie entstammt wohl im wesentlichen der aus der späteren Tatsächlichkeit ent—
sprosenen Idee, das es zu keiner Zeit ohne einen obersten Geistlichen hätte abgehen
können, waährend doch das Beispiel des königlichen Anteils deutlich zeigt, daß das
sehr wohl ging. Man übersieht, daß nach der Reformation die wirklichen Träger
des Kirchenregiments die Landesherrn mit ihren obrigkeitlichen Organen waren, und
daß die kirchliche Gesamtleitung allemal, selbst im Gottorfschen Anteil, wo freilich
in Nachfolge des Bischofs tatsächlich ein Generalpropst oder -superintendent (diese
Titel laufen zunächst noch gleichbedeutend nebeneinander her) vorhanden war, beim
Hofe lag. Ein „Generalpropst“ im vollen Sinne, also ein den übrigen Aufsichts—
männern übergeordneter Geistlicher für das ganze Land war ja für Herzog Johanns
Gebiet schon deshalb ausgeschlossen, weil ein großer Teil des Landes unter Ripen—
scher Inspektion lag. Vielmehr war — ich übersetze hier Rördam S. 50 f. —
„Hersog Hans' Anteil unter mehrere Propsteien geordnet, wie Hadersleben, Ton—
dern, Nordstrand, Rendsburg und Fehmarn. Jede von diesen hatte ihren eigenen
Propsten oder Superintendenten, wenn freilich auch nicht selten zwei oder mehrere
Propsteien zeitweise unter eines Mannes Aufsicht standen ). Diese Pröpste waren
im wesentlichen voneinander unabhängig und standen unmittelbar unter dem Herzeg
selber, welcher wohl in manchen Fällen einen, einzelnen von ihnen als seinen spe
ziellen Berater in kirchlichen Sachen benutzte, aber im übrigen nmicht irgend
cinen Generalsuperintendentenhatte, dem die oberste und all—
gemeine Aufsicht über seine gesamten Besitzungen übergeben gewesen wäre.“
Statt also von Propsteien als fesien Begriffen zu reden, sollte man bei Herzog
Johann allererst von den Leuten handeln, welche szs. „propstfähig“ waren, von
den „fornehmen Theologen'“, wie es in den Verhandlungen über die
Konkordienformel immer heißt, also den aus der großen Menge unbedeutender
Pfarrer hervorragenden Männern, welche zum Aufsichtsamt und zu etwaiger Be—
ratung in allgemein-kirchlichen Dingen befähigt erschienen ).
2) Richtiger ware es vielleicht zu sagen: es gab überbhaupt noch nicht überall ieste, durch
Tradition gebeiligte propstliche Aufsichtsbezirke, sondern die vershiedenen Aemter biw. Land—
schaften wurden zwecks geistlicer Aufsicht je nach Bedürfnis und Eignung diesem oder jenem
dazu Geeigneten zugewiesen.
) Wie dringend man solcher Leute bedurfte, zeigt uns der hochinteressante Brief, den der
Amitmaͤnn Christeffer Rantzausin Rendsburg nach Pr. Meigers Tode 1801 an Herzes
Jehann richtete. Ich gebe hier den plattdeutschen Tert, den Rerdam S. 721 jf. mitteilt, hoch
dentich wieder. Raäntzau moöochte siatt des von den Rendsburgern als Pastor gewünschten Stadt.
kindes Mag. Peter Sick „Gott dem Allmachtigen zu Lob und Ebren, der christlichen Kirche und
dem ganzen Lande zum Besten einen Vornnehmen, hoöochgeachteten gelehrten
Theotogen etwa aus den Universitaten Wittenberg oder Jeuna als Pastor (zu Rendsburg)
und Propft über des Herzoqs (bholsteinishe?) Fürstentümer““, und meint iogar, wenn der Pa-
storendienst in Reudsburg zu seiner Besoldung nicht ausreiche, solle man diese „aus den Klö—
stern“ etwas verbessern — das sei viel besser angelegt, als das es „ohne dem die Kappen und
Platten verbringen“. Ganz unverbindlich weist er hin auf Tilemann Krage, den er einmal zu
Kiel habe predigen hören, sowie, wenn man anf ein Landeskind reflektiere, auf Johann Meigers
Sobn Albert, Pasor im Risingmoer (genauer zu Lintholm). Einen derartigen tüchtigen Mann
anzubringen sei gerade jett die beste Gelegenheit, und sei dringend nétig, „weil die Passorei
allhie ganz mitten im Lande und nicht übel, sondern auf der Heerstrasie sehr wohl gelegen, und
dazu jetziger Zeit im ganren Landekeineroder gar wenigvornehmerge;-
lebrter Theolegen vorhanden (ieien), die nötigenfalls auf ein all—
gemeines Koltoquiumqgesichichtoder sonst möchten gebrauchtwerden.“