Kryptokalvinismus
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Man versteht kaum, wie es möglich war, dasi F. diese Peitschenschläge gegen
seine Person und das landeskirchliche Bekenntnis hat ertragen können. Wenn er
es noch vermied, sein Amt niederzulegen, ist der Grund sicher nicht Feigheit oder
ein Kleben am Amt)“) gewesen, sondern einerseits seine Hoffnung, an seinem Orte
noch am besten dafür wirken zu können, daß die ihm befohlene Kirche keinen Scha
den leide, und die Art seiner Frömmigkeit, die es ihm nicht erlaubte seinen eigenen
Weg zu gehen, sondern ihm gebot, auf der Stelle wo er stand in Trene und Ge
horsam auszuharren, bis ein deutlicher Wink seines Gottes ihn anderswohin wies.
Im Lauf des Jahres 1007 war die Zahl der kryptokalvinistischen Berater des
Herzogs und Gegner des Hofpredigers noch um einen sehr einflustreichen Mann
vermehrt worden. Das war Johann von Wovern, „belgischer Herkunft,
in Hamburg geboren, ein hochbegabter, gelehrter, aber zur Selbstüberhebung ge
neigter Mann““). Er hatte verschiedene Aemter am Hofe, u. a. auch die Ver
waltung der herzoglichen Bibliothek. Neben Philipp Caesar gehört er zu denen,
welche die spätere Tradition als besondere „kalvinische Bösewichte“ bezeichnete, und
fraglos hat gerade in kirchlichen Dingen der Herzog besonders auf seine Stimme
gehört. Jedoch war er nicht spezifisch religiös interessiert, sondern mehr der gelehrte
Humanist, der die lutherische Geistlichkeit verachtete. Er scheint dem Herzog zur
Vorsicht und Besonnenheit geraten zu haben, scheute sich aber nicht, gelegentlich
rücksichtslos und gewalttätig gegen Diener der Kirche vorzugehen').
Im Jahre looðd erschien eine höchst auffallende und aufreizende Schrift, die
man geradezu als ein Programm des Kryptokalvinismus bezeichnen konnte. Das
war Johann von Münsters „Warhaffter Bericht““). Sie
führte vor allem den Grundgedanken des Kryptokalvinismus aus, dasi die Re
formierten der Augsb. Konfession zugetan seien und sich deshalb als gute Luthe
raner bezeichnen dürften. Ferner gab sie recht raffinierte Ratschläge, wie die
reformierte Lehre ganz leise, allmählich und ohne Anstosi zu erregen in die evan
gelischen Kirchen eingeführt werden könne.
Hätte diese Schrift nur als Privatschrift eines kalvinistischen Agitators gegolten,
würde sie wohl nicht allzuviel Aufsehen erregt haben. Mun aber war sie Herzeg
Johann Adolf zugeeignet, bezeichnete ihn als dem „uralten Christlichen Glauben“
zugehörig und als Schützer der resormierten Lehre und sprach mit Bedauern davon,
daß er „teglich noch etliche praejudicanten in der Nachbarschaft habe vnd vnserer
reformirten Kirchen condemnationes offt vngerne hören müsse“.
So war es begreiflich, daß diese Schrift, verbunden mit den Vorgängen am
Hof bei der gut lutherisch gerichteten Geistlichkeit des Landes ein höchst unliebsames
Aufsehen erregte und die bedeutenderen Kanzeln nun erst recht von Verdammungen
des Kalvinismus widerhallten. Es wäre die Pflicht des Herrschers eines luthe.
rischen Landes gewesen, die um das Seelenheil ihrer „Zuhörer“ besorgten treuen
Hirten zu beruhigen. Statt dessen suchte er ihnen das Maul zu verbinden.
binein gesetzt und den Satz betr. die Kirchenzeremonien gestrichen, so wenigstens, wenn Heim—
reich in seiner Mordirei. Chrenit (S. 305) richtig berichtet. Man hat doch wohl eingeseben,
daß eine Abanderung der KO kehne konigliche Zustimmung nicht angangig sei.
un) Val. das boshafte Urteil der Dithmarscher, Mesoc. Il, S. 70.1
*u) Andr. Il, 52.
*i) So trieb er den als Afutrologe bedeutenden Pastor von Hellewat, Micolaus Held-
vaderus, aus denm Amte, nur weil die ihm von diesem gestellte „Nativität“ nicht nach
jeinem Sinne war (Moller III, 7s85. Pont. III, 503 f.).
?22) Maheres über das Buch s. Fedd. S 3055.