G. S. Christian von Stöcken
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und Streben nach irdischen Schätzen vorgeworfen; die uns erhaltenen Briefe an
seinen Kollegen Niemann') geben von einem friedlichen und liebenswürdigen Sinne
Zengnis.
Ein Verhängnis für diesen GS ist es geworden, dasi er, dem Formensinn und
flüssiges Deutsch nicht abgesprochen werden kann, sich für einen großen geist-—
lichen Liederdichter hielt. Er hat mehrere Liedersammlungen heraus—
gegeben) und war Mitglied der von Philipp von Zesen in Hamburg gegründeten
Teutschgesinnten Genossenschaft“ oder „Rosengesellschaft). Alles was er so
an poetisch ziemlich wertlosen Reimereien verbrochen hat, wäre längst vergessen
und verziehen, wenn er nicht die Kühnheit besessen hätte, ein „verbessertes“ Ge—
sangbuch herauszugeben, in dem er nicht nur viele Lieder neueren Datums, darunter
66 aus eigener Hand aufnahm, sondern auch die „alten“ aus dem 16. Jahrhundert
in der eigenartigen Weise „verbesserte“, dasi er sie links nach der alten Textform
abdrucken lies, rechts daneben aber seine in Versfuß und Reim zwar korrektere,
an Geist und Kraft aber vielfach geringere eigene Umdichtung stellte. Es gelang
ihm, dies sein Lieblingswerk für das königliche Gebiet autorisieren zu lassen, im
übrigen begegnete es im Lande schärfster Ablehnung, die freilich bei den meisten
weniger in rechtem Kunstverständnis als im Hängen am Alten und Ueberlieferten
ihren Grund gehabt haben wird. U, a. haben auch Scriver, Arnkiel und Erdmann
Neumeister das Unternehmen verurteilt. Ein literarisches Nachspiel erlebte es,
indem ein Anonymus 16082 unter dem Titel „Beratschlagung Apollinis und der
—
veröffentlichte), der Stöckens Sohn Heinrich, später als Pastor und Propst in
Rendsburg der Nachfolger seines Vailers, eine durch ihre Klobigkeit unwirksame
Schutz schriftt entgegenstellte ). Das 1681 erschienene Gesangbuch erlebte
noch im gleichen Jahre eine zweite Auflage, wurde aber nach dem Tode des Ver—
fassers bald vergessen).
Mehr Glück hatte Stöcken mit seine Katechis musbearbeitung
„Die vernünftige lautere Milch des Heiligen Catechismi“ usw. Hier ist eine
wirklich „einfältige““ und zutreffende Bearbeitung des Kat.stoffes durch zerglie
dernde Fragen, sowie passende Sprüche und Gesangbuchverse gegeben, welche bei
der damaligen Methode des rel. Unterrichts durchaus brauchbar und förderlich war.
Ie Richltein erlebte viele Auflagen und wurde noch 1705 ins Dänische über—
etzt ).
) Im Supellex epistolica, Bd. 95, Hamb. Staatsbibl. Einen dieser Briefe vgl. in
Buͤm o, S. 371 if.
) Titel s. bei Moller l, 650.
) Er bekleidete in dieser auf Verbesserung der deutschen Poesie gerichteten Gesellschaft das
Auit eines „Erzschreinhalters“ (Setretärs) und erhielt als Emblem eine himmelblaue Lilie
mit dem Spruche: „Nach dem Himmel zu“, dazu den Beinamen „der Andächtige“.
7) Hier treten Luther, Mie. Selnecker, Phil. Nicolai und andere Heroen des 160. Jahr
hunderts im Himmel als Verkläger ihres Verschlimmbesserers auf.
) Schreiben eines Freundes an seinen Freund, über die also genannte Relation aus dem
Parnasso usw. Glücksiadt 1082.
) Val. hierzu Brederetel, S. 25—- 58.
y Bemerkenswert ist, daß der Vf. im angehängten „Unterricht, wie diese Fragen zu ge—
brauchen“ erklärt, man solle die Kinder nicht durch Auswendiglernen aller Fragen und Ant—
worten anstrengen, sondern „durch Frag und Antwort und öffters Wiederholen dieselben ihnen
bekannt machen.“ Auch soll man ihnen durch sinngemäße Erklärung der Kat.worte „ihnen das
Teutsche deutlich machen, damit sie es nicht lernen, wie die Monnen den Psalter und die
Papagojen die Mahmen.“ Das allein sei die rechte „Inculcatien oder Einbläuung“.