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B. 2, K. 1, 6 19. Behörden und Gemeinden
stühle) und die Schlichtung etwaiger Zwistigkeiten zwischen den verschiedenen
Kirchendienern (Pastor, Diaconus, Küster) oder zwischen den Kirchendienern und
der Gemeinde. Schon diese überwiegend rechtlichen Geschäfte bei der pröpstlichen
Visitation machten es notwendig, daß der von seinem Amtsschreiber (als Protokoll⸗
führer) begleitete oder u. U. vertretene Amtmann (Landvogt, Staller) als Kovisi—
tator mitwirkte “).
Ein eigentlicher Gottesdienst und eine Predigt des Ortspastors war mit den
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Sie 'begannen morgens früh mit einer Ansprache des Propsten; darauf wurde
sofort (und zwar im Chor der Kirche) zur „Abhörung“ der Kirchenrechnung ge—
schritten. Diese war oft sehr langwierig, und die Visitation war nicht immer an
einem Tage zu Ende “).
Schon aus dem fröhlichen Mittelalter stammte die Sitte, daß bei der Visitation
im Hause des Pastors eine splendide Mahlzeit gehalten wurde, an der alle mit
dem Kirchenwesen beschäftigten Gemeindeglieder sowie die unteren Kirchenbeamten
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Kirchenkasse an Braten und Hamburger Bier gütlich tun konnten. In reicheren
Gegenden wie Dithmarschen führte das natürlich zu ungemeiner Ueppigkeit der
Mahlzeiten, die dann zur Schonung der Gemeindesäckel durch obrigkeitliche Ver—
fügungen “) eingedämmt werden mußte.
Da die Kirchenrechnung naturgemäß jährlich abgelegt werden mußte (und zwar
vor dem Tage Simonis und Judae, 28. Oktoher), ergab sich als Pflicht der
Pröpste, die ihrer Aufsicht unterstellten Gemeinden mindestens einmal im
Jahre zu besuchen. Aber die Nachlässigkeit der Visitatoren wirkte im Verein
mit dem Wunsche der Gemeinden, Kosten zu sparen, dahin, daß die Visitationen
oft jahrelang unterblieben. Um in diesem Stücke Ordnung zu schaffen, wurde
1642 für Süderdithmarschen, 1083 für Pinneberg angeordnet“), daß die Pröpst-
liche Visitation alle drei Jahre stattfinden sollte. Durch Reskript vom
16. Juli 1696 (CREHI, 461 f.) wurde dann allgemein verordnet, daß in den
Königlichen Aemtern die Pröpste jedes zweite Jahr zu visitieren hätten.
Dabei ist es geblieben.
Schon damit, daß der Propst nicht mehr jedes Jahr in jede Gemeinde kam,
änderte sich der Charakter seiner Visitation. Aus der öffentlichen ‚, Ablegung“
der Jahresrechnung wurde eine „Beleuchtigung“ (Prüfunng) der in den ver—
gangenen Jahren abgelegten Kirchenrechnungen. Die Hauptsache wurde nun der
feierliche Visitationsgottesdienst mit Predigt des Ortspastors, Katechismusexamen
durch den Propsten und öffentliche Prüfung etwaiger Beschwerden der Gemeinde
gegen den Pastor oder sonstige Kirchenbediente oder des Pastors gegen Gemeinde—
glieder.
17) Natürlich nur bei den „Amtvkirchen““. Ueber die städtischen, klösterlichen und adeligen
Kirchen hatte der Amtmann ja nichts zu sagen, hier wirkte also der Propst (soweit er denn
die Kirchenaufsicht über solche Kirchen hatte) alleine. Oefter zeigten sich die Patronate solcher
Kirchen obstinat und luden den Propsten gar nicht zur Kirchenrechnung ein, so daß dessen Teil—
nahme erst durch obrigkeitliche Verfügung erzwungen werden mußte — vgl. Bu 1, 33 ff. und
die 1674 erneuerte Königl. Konst. vom 27. März 1039, daß Bürgermeister und Rat die
Pröpste von der Kirchenrechnung nicht ercludiren dürften (BunJ, 270 f.). Umgekehrt mußte
1047 der Meldorfer Propst moniert werden, weil er einseitig Nisitationen ausschreibe und
somit in die wohlerworbenen Rechte des Landvogts übergreife ( RaIIII, 819).
in) Vgl. die von Rolf's veröffentlichten Visitationsakten, Schrr. 3, 401 ff.
19 Vol. . B. CRNUIi, 125.
0) ChH II 725, 1115f.