Kirchliche Gemeindeämter
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Gelegenheit der Kirchenvisitationen von Propst und Amtmann bestellt und ver—
eidigt““). Das Amt der Kirchgeschworenen wird schon in der KO zur Haupt—
sache so umschrieben: 1. sie sollen „der Kirchendiener Verbitter“ (Fürsprecher, Ver—
teidiger gegenüber den oft ungezogenen und widerwilligen Gemeindegliedern) sein
und dafür sorgen, daß diesen ihre „gebürlichen Einkünfte“ zur rechten Zeit zu—
gestellt werden (S. 79 f.); 2. sie sollen die Kirchenrechnung führen “) und auf die
Erhaltung und stiftungsmäßige Verwendung der Kirchengüter sorgsam achten “);
3. sie sollen für gute Erhaltung der kirchlichen Gebäude sorgen ( KO S. 91) *).
Diese drei Stücke haben allezeit den Grundstock des Juratenamtes ausgemacht.
Da jedoch die Kirchgeschworenen die ersten und nächsten gemeindlichen Mithelfer
des Pastors waren und mit ihm zusammen den engsten „Vorstand“ der Gemeinde
bildeten (daher man sie später auch gerne als (Kirchen-Vorsteher bezeichnete), so
haben sie im weiteren Verlauf der Zeit auch manche andere Pflichten übernommen
und ausgeführt. Bei der Wichtigkeit und Bedentung ihres Amtes genossen die
Juraten im allgemeinen grosies Ansehen in der Gemeinde, und es war nicht schwer,
gerade die besten, zuverlässigsten und kirchlichsten Männer der Gemeinde als solche
zu gewinnen.
Als eine besondere Art von „Vorstehern“ erscheinen in der Ko (S. 80) die
Armenvorsteher, die Beamten des Wohltätigkeitswesens, das ja bis ins
19. Jahrhundert ein Teil des Kirchenwesens war. Sie werden in den Bugen—
hagenschen KKOO, auch in unserer a. a. O. als „Diaken“ (Ton wohl auf der
letzten Silbe) bezeichnet. Diese Bezeichnung hat sich, da im 17. Jahrhundert für
die Kaplane der Titel Diakonus aufkam, bei uns nicht durchgesetzt bzw. erhalten;
nur in Dithmarschen hat man die Armenvorsteher längere Zeit als Diakonen (oder
„Maner“, monitores) bezeichnet. Auch wird man besondere Armenvorsteher
zunächst nur in größeren und reicheren Gemeinden gehabt haben, in kleinen werden
die Juraten die Armenfürsorge mit betrieben haben. Zur Armenfürsorge gehörte
auch das Umgehen mit dem Klingelbeutel („der armen Büdel“, Ko S. 80) bei
den Gottesdiensten, das sich in manchen Gemeinden als eine christliche Ehrenpflicht
der Kirchenvorsteher bis auf den heutigen Tag behauptet hat, sowie die Ver
wahrung des gesammelten Geldes in dem mit schweren Eisenbändern und mehr—
fachen Schlössern verrammelten Kirchen- (oder Gottes-) Kasten. In allen Fällen
war neben der Kirchenrechnung, die auch die Schulrechnung organisch mit umfaßte,
eine besondere, bei den Visitationen vorzulegende Armenrechnung zu führen (KO
S. 860).
Wenn die in der KO für alle Gemeinden befohlenen und auch nachher wirklich
überall vorhandenen Kirchenjuraten nicht eigentlich Vertreter der Gemeinde, son
dern vielmehr obrigkeitlich bestellte Gemeindeglieder zur Wahrung speziell kirch
licher Interessen waren, finden sich in den Kirchengemeinden, die eine bürgerliche
Selbstverwaltung besaßen, auch „Kirchenoffizialen“, die man direkt als kirchliche
Gemeindevertreter ansprechen dars. Das waren die sog. „Kirsch
»0) Eine alte plattdeutsche Form des Jurateneides ist Bugl, 904 zu finden.
20) Das war in einer Zeit, wo die Schreibkunst noch eine seltene war, in manchen Land—
gemeinden nicht möglich: in solchen Fällen stellten die Pastoren mit Zutun unt Zustimmung
—A
geschehen.
a1) Das war, nachdem in der Zeit des Ueberganges soviel Kirchengut „entwendet“ war, eine
besonders wichtige Aufgabe.
*) Nach dieser Seite ihrer Tätigkeit wurden in Dithmarschen die Juraten als Bau-
meist er (Vowmestere) bereichnet.