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B. 2, K. l, 9 19. Behörden und Gemeinden
spielsmänner“ (arspelslüüd). Sie hiesien je nach ihrer Zahl Vier-,
Sechs⸗, Acht-*), Zwölf-⸗“), Sechzehn-Männer. Die Zahl steht wahrscheinlich
mit der Zahl der Juraten in Beziehung, etwa so, daß jene immer die doppelte
Zahl dieser ausmachten.
Soviel ich sehe, waren diese kirchlichen Gemeindevertreter in der Regel mit
den Vertretern der bürgerlichen Gemeinde (des „Kirchspiels“') identisch. Durch
Urwahl scheinen sie nicht erwählt worden zu sein; vielmehr dienten sie scheinbar
auf Lebenszeit, derart, daß im Todesfall die frei werdende Stelle durch Kooptation
wieder besetzt wurde. Ihre Aufgabe war, Pastor und Juraten bei wichtigeren An—
gelegenheiten zu beraten und (sonderlich bei Abnahme der Kirchenrechnung, kirch—
lichen Neubauten, Neuauflage von Kirchenlasten und dgl.) mit ihnen vereint zu
beschließen. Die vereinten Juraten und Kirchspielsmänner, zu deren Zahl in der
Regel auch der bürgerliche Gemeindeleiter (Lehnsmann, Kirchspielvogt usw.) hinzu—
trat, hat man später als „Kirchenkollegium“ bezeichnet. Vielfach wurden die
Kirchspielsleute ebenso wie die Juraten als „Karkenvörstender“ bezeichnet; den
Sammelnamen „Kirchenvorstand'“ dagegen habe ich bisher nirgends gefunden “).
Das Institut der Kirchspielsmänner hat bestimmt in den schleswigschen Prop—
steien Apenrade, Tondern, Gottorf, Flensburg-Bredstedt, in der Südergoesharde
(später Propstei Husum) und Eiderstedt bestanden'“). Ob anch in den holstei—
nischen Geestgemeinden? In der Kremper und Wilstermarsch, sowie Dithmarschen
scheinen die Kirchspielsmänner durch die Kirchspielsbevollmächtigten vertreten wor—
den zu sein. In den adeligen Parochien war von ihnen natürlich keine Rede:
hier bildeten die „Kirchspielsjunker““ bʒw. die Kompatrone das den Patron be—
ratende, bzw. mit ihm beschliestende kirchliche Kollegium („Kirchenkonvent“, vergl.
Hedemann BumM o, oloff.).
Ein besonderes und nur vorübergehendes kirchliches Gemeindeamt war das der
Wröger (plattd. — Rüger, Censores). In Nordschleswig hiessen sie Mäf⸗-
ninn ge (vom dänischen Naevninger — Ernannte, heute — Geschworene), welches
Wort in Südschleswig in das plattdeutsche „Karken-Neven“ umgebildet
wurde (Chr. S. 1770, S. 5), in Dithmarschen ,Eedtswaren““) (BuM 3,
404, 407 f.). Dies Institut ist sicher erst nachreformatorisch und wurde erst not—
wendig, als die vom römischen Priester im Beichtstuhl geübte strenge kirchliche
Sittenzucht nicht mehr ausgeübt werden konnte und die censura morum zu einer
von Pastor und Obrigkeit gemeinsam ausgeübten Sittenpolizei geworden war.
Die Wröger sind nämlich nichts anderes als aus den „Zuhörern“ genommene
Mithelfer der Sittenpolizei und werden dementsprechend von der Ortspolizei—
behörde (Hardesvogt, Kirchspielsvogt, in Dithmarschen qar vom Landvogt) ernannt
⁊2) Ob wirklich, wie J-M IV, 217 behaupten, die Kirchspielsmänner von ihrer Zahl ganz
abgesehen als „Acht manner“ bezeichnet worden sind? Ein Irrtum ist es jedenfalls, wenn
J⸗M diese Bezeichnung der Kirchspielsleute als „Achtmänner“ mit „Acht haben“ und die so
bezeichneten mit den weiterhin geaannten „Wrögern“ zusammen bringen. Die Bejeichnung
„Achtmänner“ im allgemeineren Sinne als Beauftragte oder Vertrauensmänner hängt un—
fraglich mit den weiterhin genannten „Achten“ Gemeindebeschlüssen zusammen.
1) Ich erinnere aus meiner Jugend, daß in Drelsdorf auch die schon gemäß der KGO von
1876 gewählten KGvertreter noch immer als die „Gezwölfe“ bezeichnet wurden.
25) Im ganjzen darf man sagen, daß in dem Institut von Juraten und Kirchspielsmännern
als engerem und weiterem Kirchenvorstand das durch die Kirchengemeindeordnung von 1870
geschaffene Institut von Kirchenverstand und Kirchenkollegium schon vorgebildet worden ist
a20) Vgl. die Instruktionen von 1770, Chr. S. S. Iff.
17) Diese „Eedtswaren“! sind von den „Karkswaren“ wohl zu unterscheiden. Die letzteren
naannte man, wie oben bemerkt, in Dithmarschen „Bowmester“.