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B. 2, K. 1, 9 19. Behörden und Gemeinden
zleich aber hören wir, daß der Propst von Münsterdorf, Andreas Schwesinger
von Cronhelm, 1089 den Antrag stellte, die Kirchenangelegenheiten statt von der
ganzen Gemeinde lieber durch einen von der Versammlung gewählten Ausschuß
von gewissen Gevollmächtigten beraten zu lassen, was vom König genehmigt
wurde, doch mit dem Beding, daß die Pastorenwahl nach wie vor bei der ganzen
Gemeinde verbleiben müsse. Vielleicht haben wir in den Unzuträglichkeiten, welche
die Beratung einer großen Menge mit sich führte, überhaupt den Grund, aus
welchem es in den meisten Gemeinden zu einer Bestellung einer bestimmten Zahl
oon „Kirchspielsleuten“ gekommen ist und die Kirchversammlung mehr und mehr
verschwindet.
8. Die kirchlichen Rechte der Gemeinden.
Abgesehen von dem Rechte der Kirchgemeinden, gewisse Laienbeamte zu wählen
oder jedenfalls aus sich herauszusetzen, bestanden die kirchlichen Rechte der „Zu—
yörer“ vor allem in zwei Befugnissen: 1. das kirchliche Vermögen durch ihres
gleichen (vor allem die Juraten) verwalten zu lassen, 2. die „Kirchendiener“
Pastor, Diakonus, Küster, Schulmeister und Organisten) zu „wählen“.
Das Recht der kirchlichen Vermögensverwaltung war
allerdings stark eingeschränkt. Vor allem durch die Kirchenrechnungen und Visi—
zationen, bei welchen von den Behörden mit Recht strenge darauf gesehen wurde,
daß kein zu einem kirchlichen Zwecke bestimmtes Vermögensstück „abalieniert“
wurde. Weniger mit Recht geschah es und gedieh schließlich auch nicht zum Vor—
teil für das Kirchenvermögen, wenn dies, wie es im Gottorfer Gebiet eine Zeit—
lang gemacht wurde, in der Hand eines „Kirchenkommissars“ konzentriert wurde
(vgl. oben S. 109). Es geschah auch nicht selten, daß die Regierung allen Ge—
meinden gewisse Zwangsausgaben auferlegte, z. B. für die Pfarr- oder Kirchen—
ibliothek““) oder eine Kollekte. Im ganzen aber waren doch diese Zwangsaus—
gaben geringfügig und kamen nicht entfernt heran an das, was heute auch die
kleinste Kirchengemeinde zwangsmäßig für die allgemeinen, großen kirchlichen
Kassen aufbringen muß. Wenn nur „Exorbitantien“ im Zuviel oder Zuwenig
bermieden wurden, hatten die Kirchgemeinden die Freiheit, ihre Kirchen und ihre
Kirchendiener so freigebig oder so sparsam zu versorgen, wie es ihnen beliebte oder
von alters her üblich war.
Das wichtigste Recht der Gemeinden, das heißt der einzelnen Gemeindeglieder
(der „Zuhörer“) war doch das Pfarrwahlrecht. Ueber dieses dürfen wir
uns freilich keinen falschen Vorstellungen hingeben. Das Pfarrwahlrecht war
in unserm Lande keine allgemeine, etwa schon durch die KO normierte Institution,
sondern in den verschiedenen Gemeinden sehr verschieden ausgeprägt. Im all—
gemeinen dürfen wir nur sagen, daß in den allermeisten Gemeinden unseres Landes
die Zuhörer an der Besetzung ihrer Pfarrstellen irgendwie beteiligt
waren.
52) Der Grundstock solcher Kirchenbibliotheken bildeten die in der KO S. 93 f. allgemein ge⸗
forderten libri parochiales. Dazu kamen im Laufe der Zeit nicht wenige andere porgeschrie⸗
dene Bücher. Namentlich die Gottorfschen GGzESS sind groß darin gewesen, ihren eigenen,
oft recht umfangreichen Geistesprodukten dadurch einen Absatz zu verschaffen, daß sie den Herzog
veranlaßten, deren Anschaffung auf Kirchenkosten allgemein anzuordnen. Es ist ein Jammer,
daßt die auf solche Weise zusammengekommenen Kirchenbibliotheken in unserm Lande fast restlos
erschwunden sind.