Pfarrwahlrecht
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M. E. ist es ein Mißverständnis der Bestimmungender KO S.s51,
wenn Jensen, Kirchl. Statistik aus ihnen entnimmt, daß alle Stellen ur—
sprünglich durch Wahl besetzt werden sollten *).
In Wirklichkeit ist die Stelle nicht eine „Einführung“ des freien Gemeinde—
wahlrechts als Norm, sondern höchstens eine Bestätigung desselben für diejenigen
Kirchspiele, bei denen es bestand. Denn es wird nicht gesagt, daß die Gemeinden
als solche einen „erwählen“ sollen, sondern diejenigen, „de des (nämlich
nach Herkommen und Recht)thodondehebben?“'), und das sind doch wohl
zunächst patronatische Gewalten. Das Wort „er wählen“ wird hier also in
einem allgemeineren Sinne gebraucht, als Bestimmung des Mannes, über den
die Gemeindeinstanzen in irgend einer Weise sich einig wurden, um ihn dann dem
Bischof zu nennen (bezeichnen, nominatio) und zum Examen und zur Or—
dination zu „praesentieren“ (S. 52). Auch das Wort „e schen“, das Ko S. 51
gebraucht wird, bedeutet keine Wahl im engeren Sinne, sondern eine Forderung,
bzw. Bitte an den Bischof, diesem oder jenem Mann die Pfarre zu überweisen
(eschen — heischen, poscere). Was in diesem Abschnitt der KO normiert oder
neu eingeführt werden soll, ist nicht „freie Gemeindewahl“, sondern daß die „Er—
wählung“ mit Gebet, also wohl in einem feierlichen Gottesdienste und unter Mit—
wirkung des Propsten und (bei Kaplaneien?) des Pastors, welche den Kandidaten
vorher „fleißig examinieren“ sollen, geschehen soll. Genau genommen wird hier
also das freie Wahlrecht statt „als Norm“ eingeführt zu werden, da, wo es be—
stand, insofern eingeschränkt, als auch schon für den ersten Akt zur Besetzung einer
Pfarrstelle eine wesentliche Mitwirkung des geistlichen Kirchenregiments angeordnet
wird.
Für die tatsächliche Gestaltung des Pfarrwahlrechtes in unserem Lande können
wir also aus der KO so gut wie nichts entnehmen. In dieser Beziehung haben
uralte örtliche Rechte und Gewohnheiten, allgemeine behördliche Anordnungen, hin
und wieder auch willkürliche Eingriffe des Kirchenregiments ein überaus buntes
Bild geschaffen, das im großen Ganzen sich bis in die Neuzeit so erhalten hat,
wie es mit Ende unserer Periode, sagen wir um 1700 sich gestaltet hat “). Davon
ist im allgemeinen folgendes zu sagen:
Bei denjenigen Pfarrstellen, welche unmittelbar vom Summus Episcopus
besetzt werden, hat die Gemeinde nur ein votum negativum, d. h. das Recht,
nach der sog. Aufstellungspredigt gegen den behördlich in Aussicht genommenen
63) Ebenso, wenn A. L. J. Michell sen in seiner Claus Harnis, dem Kämpfer für das
Gemeindewahlrecht gewidmeten Abhandlung „Entstehung und Begründung der Predigerwahl
in SHeals protestantischer Norm“ diese Stelle der KO als Beweismittel für solche angebliche
„protestantische Norm“ heranzieht (S. 18).
52) In der Ord wird sogar ausdrücklich gesagt, das das Kirchspiel per praecipuos,
quorum interest, die „Wahl“ vollziehen soll. Die „Vornehmen“, mit denen ursprünglich
wohl die Patrone gemeint gewesen sind, sind dann in den Riber Artikeln (vergl. oben S. 103)
näher dahin bestimmt worden, daß die Kirchspielsangehörigen sieben von den ältesten und acht⸗
barsten Männern wählen sollten, welche dann unter der Leitung des Hardespropsten den Pre
diger zu erwählen hätten (Mischel senn a. a. O. S. 20). Nach dieser Vestimmung sind
seitdem im Königreich die Pfarrstellen besetzt worden, bis mit der Einführung der Enevaelde
die Wahlen ganz aufhörten und unmittelbare königliche Ernennung allgemein wurde (Jen-—
seinn a. a. O. S. 100). Nach Michelsen hat Christian IV. jene Wahl durch einen Siebener⸗
ausschuß durch Mandate vom 11. Dez. 16034 gleichfalls in den Aemtern Hadersleben und
Flensburg, „vielleicht auch noch anderwärts“ eingeführt. Mir sind diese Mandate sonst nicht
vorgekommen.
*5) Wol. hierzu die sorgfältig gearbeitete Uebersicht über die Besetzung der Pfarrstellen in
Chalpb. S. 235ff.