Kirchenlehre in der KO
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dem Inbegriff des in der Kirche zu Lehrenden unter der Hand das Lehram t,
also eine Definition der von den Lehrern (Predigern) zu treibenden Tätigkeit.
Infolgedessen wird zur Lehre ein Stück gezogen, das genau genommen in ein
anderes Kapitel gehört, nämlich in das der „Zeremonien“: die rechte Austeilung
der Sakramente. So kommt es zu einer Definition der Lehre, welche, so warm
sie uns berührt, doch nicht korrekt ist: die Lehre ist ein Amt unserer Seligkeit,
durch welches die uns durch Christum erworbenen Wohltaten (benelicia) ver—
kündiget (invulgantur) und an alle Gläubigen ausgeteilt werden (distribuun-—
bur). Das letztere Prädikat kann sich doch nur auf die Sakramente beziehen —
die Lehre (Verkündigung) als solche eignet die Wohltaten Christi den Hörern
nicht an, sondern macht sie nur damit bekannt, bietet sie ihnen zur Annahme durch
den Glauben dar. Die Beziehung aller drei Tätigkeiten des Lehramtes auf die
„Busie“ macht einen etwas gekünstelten Eindruck. Nicht normgebend, sondern
durch die weitere Lehrentwickelung früh überholt ist die Definition der „Busie“
als drittes Sakrament, welches die KO nach melanchthonischem Vorbilde S. 18
darbietet).
Achten wir nun, von solchen Unklarheiten absehend, auf das, was die KO von
der Lehre im engeren Sinne, das heißt von der in Predigt und Katechismuslehre
darzubietende Verkündigunng sagt, so wird vor allem in der stärksten Weise
Einheit und Gleichheit der Lehre gefordert. Wie die Sakramente
überall nach gleichem Ritus verwaltet werden sollen, so will und gebietet der
Landesherr, daß der Katechismus (allerorten) den Leuten auf einerlei Weise vor—
gehalten werde. Und zwar wird diese Einheitlichkeit der Lehre, was den Kate-
chismusunterricht anbelangt, nicht auf den Inhalt beschränkt, sondern
auf den Wor t laut ausgedehnt. Bei der Katechismuspredigt, die in Städten
jeden Sonntag früh, auf dem Lande nach der Evangelienerklärung gehalten wer—
den soll (KO S. 321ff.), darf der Prediger bei der „Ausdeutung“ des gerade
vorliegenden Katechismusstückes sich zwar eigener oder aus einer guten Vorlage
genommener Worte bedienen, zum Schlusi aber sollen sie immer auf eine kurze,
cin für allemal feststehende „Deutung“ herauskommen, und zwar soll das die im
kleinen Katechismus Luthers gegebene sein (S. 34). Von dieser darf man „nicht
weichen oder abtreten“. So haben wir also in SHein Luthers Büchlein von
vornherein das Normallehrbuch der Religion. Und ein besseres
konnte unserem Volke wahrlich nicht gegeben werden. In ihm haben wir erstlich
die wertvollsten Stücke der altkirchlichen Tradition (im sog. Tert) und zum andern
den prächtigsten volkstümlichen Ausdruck des evangelischen Verständnisses der
Tradition (in der sog. Auslequng). So ist Luthers Katechismus ein wundervolles
Spmbol der lutherischen Lehre, die nicht etwas Neues bringen wollte, sondern nur
ein neues, besseres Verständnis des uralten, der ganzen heiligen allgemeinen
Kirche gemeinsamen Glaubensgutes.
Für das andere Mittel der christlichen Lehre, die Predigt, wird natürlich
nicht die beim Katechismusunterricht um des „groben Volkes“ willen geforderte
Einheit und Stetigkeit im Wortlaut vorgeschrieben, wohl aber inhaltlich die Ein—
heit und Gleichheit aufs ernstlichste geboten: „die ganze, unversehrte (integra),
vollkommene Lehre des heiligen Evangelii soll bei allen Untertanen und an allen
Orten rein und einträchtig sein“ (KoO S. 15). Als Hauptstück dieser einträchtigen
Lehre wird der Artikel von unserer Rechtfertigung hervorgehoben und dann eine
) Ueber das ursprüngliche Schwanken inbetreff der Zabl der Sakramente und die Ab—
weichungen Melanchthons von Luther in diesem Stücke vergl. Mi. S. 119 f. und 148ff.