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B. 2, K. 1, 9 20
Anzahl besonderer Stücke genannt, welche die Prediger in ihren Sermonen vor
andern behandeln sollen (S. 15 f.). Es sind größtenteils Themen des praktischen
Christentums, doch auch einige, die zur Auseinandersetzung mit dem Papismus
nötig schienen (von Menschenlehren, von den Heiligen, vom Fasten, von Bildern)
und auch solche, die nach unserm heutigen Verständnis schon mehr in die Theologie
hineingehören (vom freien Willen, von der christlichen Freiheit, von der Prae—
destination). Doch wird von den letzten ausdrücklich vorgeschrieben, daß man von
ihnen sehr vorsichtig und nur, wenn es unbedingt notwendig scheine, reden solle
S.17). Auch einer allzu üppigen Polemik gegen den Papismus wird ein Riegel
vorgeschoben, indem gesagt wird (S. 31), daß man nicht auf die Papisten
„schelten“ solle, es sei denn, daß das gerade behandelte Thema es unbedingt fordere
Ddie Ord. verbietet klarer den gehässigen Angriff auf die Papisten; nec odiose
in papisstas . .. invehatur, S. 18). Die in der Predigt zu treibende Lehre
wird auch dahin geordnet, daß an bestimmten Feiertagen bestimmte Themen zu
behandeln sind, so am Tage Johannes Evangelist von Stand und Beruf, Esto-
mihi vom Taufsakrament, Quasimodogeniti von den „Schlüsseln“, Grün—
donnerstag vom Abendmahl, Johannes Baptist gegen die Wiedertäufer, Aller
heiligen von den Heiligen, Michaelis von den Engeln.
Sehr schön wird in der KOsdie praktische Abzweckungder,Lehre“
hervorgehoben. Nicht nur in der Definition der Lehre (S. 14) als einem Amt
unserer Seligkeit, sondern auch in dem Artikel von der Predigt (S. 50): die
Predigt des Evangeliums ist der rechte, wahre Dienst des heiligen Geistes und
unserer Seligkeit; mit ihrer Verkündigung sind die Prediger die Vertreter des
Herrn Christus; darum sollen sie Gottes Wort nicht leichtfertig, sondern mit gro—
Kem Ernste, als im Angesichte Gottes durch Jesum predigen und es nicht durch
Zutun oder Abnehmen (Ord. adjectione aut detrectatione) „schänden“
(Ord. besser: vitient, verletzen). Ein Hinzutun zum Worte Gottes, etwa der
Lehre vom Papsttum ist ebenso wie ein Abnehmen (uUnterschlagen), etwa der
Lehre vom rechtfertigenden Glauben seelengefährlich. vu
Gerade bei dem entscheidenden Werte, welche die KO der rechten reinen Lehre
beilegt, erscheint es als ein Mangel, daß sie keinen Präüfsteiin der reinen
Lehre angibt außer etwa dem kleinen Katechismus, der doch als volkstümlich
verkürzte und vereinfachte Darstellung der christlichen Religion keine genügende
regula fidei (Glaubensnorm) abgibt. Dieser scheinbare Mangel bedeutet doch
nicht, daß die KO die Lehre frei stellen oder die Entscheidung über die Richtigkeit
und Unrichtigkeit einer Lehre dem subjektven Ermessen des Predigers überlassen
wollte — das sind Ideen eines modernen Subjectivismus, die den Vätern der KO
ebenso wie Luther selber völlig fern gelegen haben. Es bedeutet lediglich, daß
man zur Zeit der Abfassung der KO noch keine antoritative symbolische Dar—
stelling des lutherischen Glaubens, keine lutherische „Bekenntnisschrift“ hatte.
Die Augsburgische Konfession war zwar schon da, war aber noch nicht als all—
gemeine, unverbrüchliche Lehrnorm für die lutherischen Kirchen anerkannt. Als
anerkannte Symbole hatte man bis dahin nur die altkirchlichen, das (sog.) apo—
stolische, das (sog.) Nicänische und das (sog.) athanasianische Glaubensbekenntnis.
Diese standen, ohne daß sie genonnt werden, sür die Väter der KO ohne weiteres
fest: wer anders lehrte denn sie — wie etwa die Anabaptisten und die „Sakra—
mentarier“ — war im Sinne der KO ein Ketzer. Aber diese altkirchlichen Sym⸗
bole bestimmten doch nur den Glaubensgehalt, den die neue Kirchengemeinschaft
mit der ganzen Kirche auf Erden gemeinsam hatte. Für das neue evangelische