Full text: 1517 - 1721 (2)

Allgemeines 
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ausgebildet; sie sind dabei (wiederum gelegentlichen Andeutungen Luthers folgend) 
zu kühnen spekulativen Erörterungen über die „Illokalität“ des Himmels und der 
Hölle, der Himmelfahrt Christi und seiner sessio ad dextram gekommen, welche 
uns Heutigen fast modern anmuten, aber dem damaligen, im antik-biblischen Welt— 
bilde auferzogenen Geschlecht als Neologie erscheinen musiten. 
Der Kreis dieser „Neulutheraner“ war nicht groß und beschränkte sich zunächst 
auf Süddeutschland (für Württemberg wurde ihr Standpunkt 1559 symbolisch 
festgelegt), aber er zählte bedeutende Köpfe unter sich, neben dem propugnator 
Andreae Männer wie Aeg. Hunnius in Marburg, Lucas Osian— 
der den Aelteren in Stuttgart u. a. m. 
Die Konkordienformel ist trotz des leitenden Einflusses Andreaes kein reines 
Produkt seines Geistes, sondern ein Kompromiß zwischen den geschilderten beiden 
Richtungen innerhalb des echten Luthertums. 
Neben der theologischen Schulung (hier Melanchthon, dort Brenz) kann man 
innerhalb der gnesiolutherischen Partei selbstverständlich auch nach anderen Be— 
ziehungen scheiden, z. B. nach der persönlichen Qualität dieser Männer: es gab 
unter ihnen — und zwar nicht wenige — kräftige Naturen, rücksichtslose Eiferer 
und derbe Poltergeister, wie Flacius, Wigand, Mörlin, Hesihusius; es gab auch 
solche, die Herrschsucht mit Geschmeidigkeit und diplomatischer Gewandtheit ver— 
cinigten, wie Andreae; es gab auch edle Naturen, die zwischen Person und Sache 
schieden und zu „Personalkondemnationen“ nicht geneigt waren, es überwog jedoch 
auf dieser Seite wohl die schärfere Note. 
Wenn man nun diesen „Lutheranern“ die „Philippisten“ gegenüber— 
stellt, so hat man sich dabei gegenwärtig zu halten, daß es auch innerhalb des 
„Philippismus“ zwei verschiedene Richtungen gab. Man kann sie etwa als die 
echten und die lutherischen Philippisten unterscheideü. 
Die echten Philippisten sind diejenigen, welche wirklich den Geist des 
echten, d. h. des späteren Melanchthon in sich aufgenommen hatten, die namentlich 
in der Abendmahlslehre mehr oder weniger deutlich zu kalvinistischen Anschauungen 
hinübergeschwenkt waren. Zu ihnen gehören jene Professoren an der Witten— 
berger und Leipziger Universität, welche nach der Katastrophe von 1574 als 
„Kryptokalvinisten“ zum Teil mit grausamer Härte bestraft wurden. Zu ihnen 
gehörten viele mehr humanistisch als religiös orientierte Schulrektoren, die an 
der lutherischen Abendmahlslehre geheime Zweifel hegten. Im allgemeinen, darf 
man sagen, dasi diejenigen Landeskirchen in Deutschland, die später als reformiert 
bezeichnet wurden, weniger von Kalvin als von Melanchthons Geist bestimmt 
waren: sie waren das Produkt des echten Philippismus. 
Von diesen echten Philippisten doch sehr verschieden waren die nur so ge— 
nannten, vulgären oder, wie ich sie zu nennen vorgeschlagen habe, hbuthe— 
rischen Philippisten. Sie waren offenbar das Gros der norddeutschen 
Theologenschaft. Es waren die im Sinne der fortgeschrittenen Lutheraner einer— 
seits und der Kalvinisten andererseits Zurückgebliebenen, die Konservativen, die 
von der nach Luthers Tode eingetretenen Scheidung nichts wissen wollten, viel— 
mehr in der ungeschiedenen und unzerteilten Vereinigung von Luther und seinem 
— Punkte 
der Abendmahlslehre gut lutherisch, aber von der Verketzerung ihres geliebten 
Meisters wollten sie nichts wissen. Sie hatten meistens auch nicht den theologischen 
Scharfsinn, der dazu gehörte, die Unterschiede zwischen beiden zu erkennen, und 
fühlten sich bei den klaren Sätzen Philippi voll befriedigt. Das tiefere theologische
	        
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