Philippismus in SH
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quelle. Manche Auszüge daraus sind von Muhlius')), Krafft“) und namentlich
Rördam“) gegeben worden, aber das Buch als ganzes harrt noch immer einer
Bearbeitung und Herausgabe. Um seinen Standpunkt ein wenig zu kennzeichnen,
führe ich nur an, daß er Hemmingsen, unter dem er auch in Kopenhagen studiert
hatte, als die Sonne der geistigen Welt feierte; daß er von Melanchthon sagte,
er wolle lieber mit ihm irren als mit seinen Gegnern übereinstimmen; daß er
endlich, als er 1890 von dem Tode Jacob Andreaes erfuhr, dem Hasse gegen
diesen Schöpfer der Konkordienformel und Feind Melanchthons dadurch Ausdruck
gab, daß er in sein Tagebuch schrieb: Obiit Jacobus Schmidlinus, magnus
et famosus ille paxpropheta et ubiquitatis apostolus et patronus,
cujus anima requiescat in pice!
Mit Johannes Becker war durch Landsmannschaft und enge Freundschaft ver—
bunden der Kollege und spätere Nachfolger Peter Bokelmanns in Husum, Jo⸗—
hannes Hamer'“), geboren in Husum als Sohn des dortigen ersten Dia—
conus, Franz Hamer (vgl. S. 28) 1528, gest. 1004. Im Gegensatz gegen den
eifernden Bokelmann war er sanftmütig und gelinde und ertrug es schwer, wenn
jener in seinen Predigten gegen die Wittenberger loszog. Aber — darin ein
typischer Vertreter des bei uns herrschenden utherisscchen Philippismus —
im Punkte des Altarsakraments stand er fest und unverrückt auf der lutherischen
Auffassung und nannte Luthers letztes Bekenntnis vom Abendmahl ein goldenes
Buch. Darum las er, der seinem Meister niemals eine andere Lehre zugetraut
hatte, mit tiefem Schmerz die andersartige Lehre in der bekannten Exegesis
perspicua von 1574 und bedauerte von Herzen das furchtbare Geschick, das
über die Wittenberger Freunde hereinbrach. Er scheint ein aufrichtig frommer
Mann gewesen zu sein, der mit allen Frieden hielt, soviel an ihm war, eine rechte
anima candida.
Als Philippisten lernen wir aus dem Briefbuch des Pistorius und anderen
Quellen ferner kennen: Wolguard Jensen (vgl. S. 121), Albert
und Samuel Meiger (S. 142), Martin Coronaeus («Krey),
Pastor an St. Mikolai in Kiel, Joh. Schaffnicht, Pastor in Oldenburg,
Peter Goldschmidt, Pastor in Garding, Johannes Stricker,
Pastor in Grube, Magister Johannes Lucht in Schleswig (S. 125), Mag.
Dinggreve in Hadersleben (S. 143) u. a. m.“).
Diese Theologen waren gewiß in der Mehrzahl gescheute und auch theologisch
interessierte Leute (in dem Briefbuch des Pistorius lesen wir, wie dieser und seine
Freunde die neuesten theologischen Produktionen der Wittenberger und anderer unter
sich austauschten), aber einen Theologen von Format, einen theologischen Schrift—
steller hat es in ihrem Kreise doch nur eienen gegeben: Paul von Eitzen. Und
da dieser auch schon durch seine Stellung als „vornehmster Theologe““ des ganzen
Landes für die Feststellung des landeskirchlichen Bekenntnisses von entscheidendstem
Einfluß gewesen ist, haben wir seine theologische Stellung eingehender zu be—
trachten.
19) De resormatione réeligionis in vicinis Daniae regionibus (in seinen Disser-
tationes, Kiliac 1715).
) A. a. O. S. 154 ff.
iu) Hist. Kildestrifter 2. I. II, 508 ff.
9) Vgl. über ihn Krafft S. 131-1530, 455 -400.
12) Daß auch unter den „Schulkollegen“ der Philippismus seine Stätte hatte, zeigt der
BumM 7, S. 307 veröffentlichte Brief des Schleswiger Rektors Stauhufen (xgl.
S. 123) an Paul Eber aus dem Jahre 1501.