B. 2, K. 2, 8 21. Philiprismijs und Luthertum
3. Paul von Eitzens theologische Stellung.
Paul von Eitzen gehört nicht zu den grosien Theologen seiner Zeit: er hatte nicht
Luthers Genialität, nicht Kalvins weltweiten Blick, er war nicht geistreich wie
Flacius, selbst ein Westphal übertrifft ihn an Reiz und Schwung der Rede; er
hatte die mehr nüchterne, „schulmeisterliche“ Art seines Meisters Melanchthon
an sich, aber ohne dessen Eleganz: seine Schriften haben etwas Pedantisches an
sich; sie sind so wasserklar und vielfach so breit, das sie ermüdend wirken. Aber
er besaß eine tüchtige Gelehrsamkeit und hatte nicht nur in den alten Vätern
und in seines Magisters Philippus, sondern auch in Luthers Schriften fleißig
gelesen. Von mystischer Tiefe war seine Theologie weit entfernt, sie war auf
den gesunden Menschenverstand zugeschnitten: alle nicht durch die orthodore, d. h.
altkirchliche Lehre eingeführte und erlaubte Metaphysik lehnte er ab und hatte
insofern für die hohen mystischen Spekulationen eines Brenz nicht das geringste
Verständnis. Er hatte einen gesunden praktisch-kirchlichen Instinkt und ein starkes
Gefühl für den Unterschied zwischen dem zur Pflege der Frömmigkeit notwendigen
Praktisch-Erbaulichen und dem bloßen Theologengezänk. Dem persönlichen Kampf
vermöge einer gewissen Friedfertigkeit seiner Natur abgeneigt, von einer etwas
weibischen Empfindsamkeit und leicht gekränkt, am Schreibtisch tapferer als im
persönlichen Verkehr, war er in jener kampferfüllten Zeit nicht gerade besonders
geeignet, eine Führerrolle zu spielen, war jedenfalls seinem späteren Gegner Andreae
in der Beziehung weit unterlegen. Aber er hatte ein treues und von aufrichtiger
Sorge um die „arme betrübte Kirche“ erfülltes Herz.
Seine theologische Stellungnahme zu den Fragen der Zeit wird von Anfang
an durch zwei Marimen bestimmt: 1. Dadurch, daß er Luther und Melanchthon
stets zusammen schaute, sie als einne geistige Größe wertete, und zwar so, daß er
vuther als die absolute Autorität, Melanchthon als den berufenen Interpreten
dieser Autorität ansah. Melanchthon ist ihm also nicht an sich selbst Autorität,
sondern nur vermöge Luthers, testante ipso Luthero. Dieses Verhältnis
der beiden Männer hatte sich durch die Eindrücke seiner Studentenzeit in Witten—
berg — er hatte sie noch bei de gehört — für ihn festgestellt und ist lebenslang
von ihm festgehalten worden. 2. Durch seine persönliche Treuegegen
Melanchthon, die es ihm nicht, wie anderen Melanchthonschülern, erlaubte,
AWlhX
nehmen, sondern ihn allezeit bei der Meinung beharren liesi, daß sein Meister
niemals (wesentlich) von Luther abgewichen sei.
Es muß stark betont werden, daß Eitzen — sich selber unbewußt — im
positiven Bekenntnis lutherischer war als sein Meister. Wor allem
in der Abendmahlslehre und der Christologie, aber auch z. B. in der Lehre vom
freien Willen. Dazu kam, daß er, in seiner hamburgischen Zeit in den Kampf
Westphals und anderer gegen Kalvin hineingezogen, ganz anders als seine weit
vom Schusse ab sitzenden und deshalb harmloseren späteren Amtsgenossen in
Schleswig-Holstein einen scharfen Blick für die kalvinistische Gefahr gewann.
So entwickelte er sich zu einem strammen Antikalvinisten und be—
teiligte sich mit Eifer und innerer Anteilnahme an den Bestrebungen der Nieder—
sachsen zur Firierung des gut lutherischen Charakters ihrer Kirchen.
In diesem Sinne ist Eitzen allezeit ein guter Lutheraner gewesen, und es ist
durchaus irrig, wegen seiner späteren Stellungnahme gegen das Konkordienwerk
eine Art von Umfall oder eine Entwicklung vom „strengen Lutheraner““ zum