Full text: 1517 - 1721 (2)

B. l, 9 1. Einleitung 
Holstein Deutsches Reichslehen war, also im Deutschen Kaiser den höchsten Ober⸗ 
herrn hatte, Schleswig aber ein altes Dänisches Lehen. Die mannigfachen Kom⸗ 
plikationen, die in der eigenartigen staatsrechtlichen Stellung der Herzogtümer 
angelegt waren und unserm Lande im weiteren Verlauf seiner Geschichte so viel 
Not gemacht haben, traten zur Zeit der Reformation noch kaum hervor. Auch 
die sprachlichen, bzw. völkischen Unterschiede zwischen Südjüten im Norden, Friesen 
im Westen Schleswigs, Niedersachsen in Südschleswig und Holstein spielten in 
jener von ugtionalen Gedanken und Empfindungen noch wenig berührten Zeit 
keine RMiue 
Betrachten wir nun salle diese auf dem Boden sunseres Landes angesiedelten 
Staatswesen nach ihrer nneren Struktur so haben wir uns vor allem 
davor zu hüten, sie mit unsern heutigen, an den totalen und omnipotenten Staat 
gewöhnten Augen ee Staatsverwaltung stand zur Zeit der Re— 
formation durchaus noch im Mixktelalter. Der durch die Landesherrschaft repräsen— 
tierte mittelalterliche Staat aber war noch ein ziemlich schwaches Gebilde. Die 
Landesherrschaft war eigentlich nur die zusammenhaltende Vormacht unter vielen 
anderen in der Geschichte entwickelten Mächten; ihre Funktionen bestanden wesent— 
lich nur in der militärischen Führung, in der Verwaltung des obersten Gerichtes 
und einer smehr oder weniger beschränkten allgemeinen Gesetzgebung und Steuer— 
hne übrigen wurden die „Untertanen“ bei ihren mehr oder weniger 
heilsamen Rechten und Privilegien sorgsam erhalten. Von einer Einmischung in 
alle möglichen Verhältnisse, von der späteren Vielschreiberei und -Fregiererei war 
man noch weit entfernt. Quiéẽta non movere galt als der oberste Regierungs— 
F indsatz. 
den „Fürstentümern“ als einem größeren Territorium war die „Regierung“ 
naͤtürlich schon etwas komplizierter als in den kleinen Staatswesen. Als oberstes 
Verwaltungsorgan diente dem Landesfürsten seine „Kanzlei“; der König— 
Herzog hatte schon früh seine für die Verwaltung der Herzogtümer besonders 
eingerichtete „deutsche“ Kanzlei in Kopenhagen. Im Lande selbst vertrat den 
König in oberster Instanz sein „Statthalter“, in der Kreisinstanz der 
allemal aus dem Adel genommene Amt mann, in der Ortsinstanz in Schleswig 
der Hardes- in Holstein der Kirchspielvogt. Eine große Selb— 
ständigkeit genossen die mit dem Stadtrecht“ begabten Orte!!). Sie standen 
außerhalb der Aemter, hatten ihr eigenes Stadtgericht und Sitz und Stimme 
auf den Landtagen, in den meisten Fällen auch das Patronat über die Stadtkirche. 
Unter den Landgemeinden besaßen namentlich diejenigen der Marsch ein 
weitgehendes Selbstverwaltungsrecht, aber auch die Bauerngemeinden auf dem 
Mittelrücken ordneten unter ihren Hardes- und Kirchspielvögten ihre örtlichen 
gelegenheiten ziemlich —233 
— jedoch und fast — sb kann man sagen — die Einheitlichkeit des 
Slaalegefůͤges sprengend war die „Freiheit“ des meist im Osten angesiedelten 
adeligen Großgrundbesitzes, der sog. privilegierten Ritterschaft. Fast wie 
Souveräne walteten die Junker auf ihren stolzen Burgen und Herrensitzen über 
11) Auch für die Reformationsgeschichte ist es wichtig, sich die damaligen „Städte“ unseres 
Landes zu merken. Es sind in Schleswig: Apenrade, Burg a. F., Eckernförde, Flensburg, 
Hudersleben, Schleswig, Tondern (Husum bekam erst 16008 das Stadtrecht, hatte aber schon 
1405 das Privilegium, einen „Stadtvogt“ nebst 12 „Richtern“ zu wählen bekommen). In 
Hol ste in batten zur Reformationszeit folgende Orte das Stadtrecht: Heiligenhafen, Krempe, 
Itzehoe, Kiel, Lütjenburg, Neustadt, Oldenburg, Ploön, Rendsburg, Segeberg.
	        
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