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B. 2, K. 2, 9 22. Sumbole
Unter Hinweis auf die durch die heftigen Streitigkeiten über das Abendmahl,
das Treiben der Wiedertäufer, das „unzeitige und ungebührliche Schelten etlicher
Prädikanten auf der Kanzel und Verdammung ganzer Universitäten und singu—
lärer Personen“ erregte Unruhe wird allen Unterthanen und insonderheit den
Predigern folgendes geboten: 1. Konventikel und Winkelpredigten der Wieder-
äufer sollen nicht gestattet, die Anhänger dieser „schädlichen Sekte“ sollen in
Haft genommen und den Fürsten zur Bestrafung nach Reichsrecht angezeigt werden.
2. Da „etliche leichtfertige Leute alles, was sie nicht selbst erfunden, zu tadeln
und zu verwerfen sich unterstehen und die Augsburgische Konfession“ — auf der
doch der Religionsfriede des Reiches beruht — „in ein Zweifel fassen“, so sollen
die Theologen vomn Abendmahl „nichts anders reden, lehren und predigen,
denn wie Christus selbst, die Evangelisten, der heil. Apostel Paulus und wie die
Augsb. Konfession redet. Da sich aber einer oder mehr ... unterstehen würde,
anders denn S. Paulus und die Augsb. Konfession lehret, von dem Abend—
mahl ... oder andern Artikeln unserer christlichen Religion zu reden und zu
lehren, der soll nicht geduldet, sondern da er auf Vermahnen davon nicht ab—
stehen wollte, aus unserm Fürstentum verwiesen werden.“ 3. Die Prediger sollen
sich befleißigen, das Wort Gottes ohne einige Verfälschung dem Volk vorzu—
tkragen und viele Seelen dem Herrn Christo zuzuführen, sollen sich aber bei Ver—
meidung der Landesverweisung des bisher geübten Scheltens und Lä—
sernis von Privatpersonen und Universitäten, „die keines Irrtums überzeuget
oder, wie recht, mit ordentlicher Erkenntnis nicht überwunden“ gänzlich enthalten.
Vermeintliche Irrlehrer sollen brüderlich ermahnt und nötigenfalls vor das geist—
iche Gericht gezogen werden. 4. „Famos-Libells oder Schmähschriften
und unziemliche Gemälde“, durch welche nicht allein zwischen den Gelehrten in
den Kirchen, sondern auch zwischen den Fürsten großes „Mißvertrauen“ entstanden,
dürfen im ganzen niedersächsischen Kreis weder gedruckt noch feil gehalten werden.
5. Alle Bücher und Schriften werden bei Strafe der Verweisung aus dem
Kreise unter die Zensur der Obrigkeit gestellt.
Dies sog. Lüneburger Mandat stellt einen sehr energischen Versuch der Fürsten
und Magistrate des Niedersächsischen Kreises dar, den theologischen Streitigkeiten
ein Ende zu machen und den kirchlichen Frieden in ihren Gebieten zu erhalten,
bzw. herzustellen. Auch ist die rein religiöse Aufgabe der Prediger sehr schön zum
Ausdruck gebracht. Aber man wird doch sagen müssen, dasß es ein Versuch mit
untauglichen und zweifelhaften Mitteln war. Man merkt gleich, daß hier Juristen
reden, die von den theologischen Problemen der Zeit keine Ahnung haben. Es
war nicht mehr zeitgemäß, die Prediger inbezug auf die Abendmahlslehre auf die
Worte Christi und Pauli zu verweisen, da doch der Streit sich eben darauf bezog,
wie diese Worte auszulegen seien. Auch die Verweisung auf die Augsburgische
Konfession und die Apologie genügte nicht, da durch die Mugustana variata.
die im Abschied des Naumburger Fürstentages ausdrücklich anerkannt war, die
lutherische Abendmahlslehre der Invariata verdunkelt und der kalvinischen Auf—
fassung Raum gegeben war. Es ist ferner ersichtlich, daß das Mandat sich ein—
seitig gegen die Gnesiolutheraner richtete und die von diesen angegriffenen Uni—
versitäten (Wittenberg und Leipzig) schützen wollte.
—AV
Theologen heftig angegriffen worden und in einem Teil der Niedersächsischen
Stände, namentlich in den „vandalischen“ Städten nicht zur Durchführung ge—
kommen. In unserm Lande aber hat es, man darf wohl sagen: jahrhundertelang,