Predigereid von 1574
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torfsche Geistlichkeit mit keinerlei Art des Kryptokalvinismus befleckt sei; 3. wollte
er mit dieser Formel auch seine eigene Orthodoxie bezeugen; jedenfalls hat er sie
weiterhin mehr als einmal zu diesem Zwecke verwandt. Er stand ja stets in statu
conlessionis, nicht nur insofern die strengen Lutheraner der „vandalischen“
Städte seit 1801 ihn nicht mehr für voll tarierten, sondern auch insofern, als er
zu wissen meinte, daß Andreae ihn etwa vor Jahresfrist dem Landgrafen von Hessen
gegenüber als „Satkramentierer“ ausgeschrieen habe ).
Aus solchen Motiven entstanden, ist Eitzens Formel etwas ganz anderes als
ein gewöhnlicher Religionseid geworden: latsächlich stellt sie ein Symbol dar,
ein Wahrzeichen der Gottorfschen Kirche, eine autoritativeundnor—
mierende Lehrschrift im strengsten Sinne des Wortes.
Nicht ohne Grund haben die Freunde der Konkordienformel diesen „Eid“ stark
getadelt““. Und trotz allem Stolze, mit welchem der Gottorfsche Oberhirte sein
Leben lang auf dies sein Werk zurückgeschaut hat, werden auch wir heutigen nicht
aur in formaler Beziehung, sondern auch sachlich viel gegen dasselbe zu erinnern
haben. Vor allem werden wir sagen müssen, daß der merkwürdig äußerliche Sinn,
in welchem er das Wort „glauben“ gebraucht, die völlige Gleichstellung der Heiligen
Schrift und der altkirchlichen Symbole und die Forderung eines eifrigen Hasses
oder hassenden Eifers gegen jede abweichende Lehre eine innere Einstellung des
Verfassers zeigen, die man eher als römisch denn als evangelisch bezeichnen kann“).
3. Aufnahme des Torgauer Bedenkens in Dänemark und den Herzogtümern, 1576.
Nachdem Kurfürst Auqgust von Sachsen das ven Andreae so heiß erstrebte
lutherische Konkordienwerk unter seine Flügel genommen hatte, ging es energisch
vorwärts. Wom 28. Maibis 7. Juni 1576 jagte der Theologenkonvent
zu Torgan (Hauptteilnehmer außer Andreae: Chemnitz aus Braunschweig, Chp—
traeus aus Rostock und Selnecker aus Leipziq) und schuf verhältnismästig rasch
und in großer Einigkeit den Grundstock der späteren Konkordienformel, das sog.
„Torgische Bedenken“.
Der weitere modus procedendi war so gedacht, daß das „Bedenken“ sämt—
lichen evangelischen Reichsständen übersandt und diese gebeten werden sollten, ihre
Theologen zu einer Beurteilung desselben aufzufordern. Auf Grund der ein—
gegangenen „Zensuren“ sollten dann etwa nötige Merbesserungen vorgenommen
und die so verbesserte Formel auf einer allgemeinen Spnode oder sonst auf zweck
dienlichem Wege zur allgemeinen Anerkennung gebracht werden. In größter Eile
wurden viele Eremplare des umfangreichen Werkes handschriftlich hergestellt und
) Val. Konk. S. 100. Andreage hatte eine eiwas lose Zunge. Wenn er wirklich diese
Aeusierung getan hat, so wabricheinlich, weil er ven der innigen persönlichen Verbindung, in
welcher Eitzen mit Hemmingsen stand, gehört hatte. Von der so in angenblicklichen Unmut
hingeworsenen Bemerkung hat Andreae selber spater nichts mehr gewußt; er konnte ja auch im
Ernst trotz der christologischen Differenzen, die zwischen ihm und Eitzen bestanden, diesen un«
möglich dauernd sur einen „Sakramentierer“, d. h. Leugner der Realpräsenz halten. Aber
Eitzen hielt leider diese „Veleidigung“ in allzu guter Erinnerung, und bedauerlicherweise haben
wir sestzustellen, daß die persönliche Gereiztheit Eitzens gegen Audreage die Hauptursache dafür
gewesen ist, daß er diesem neuen Unionswerk von vornherein so jeindselig gegenübergetreten ist,
während er doch die ersten Versuche wohlwollend gefördert hatte.
) Das ungunstige Urteil des Lübecker Sup. Pouchenius j. Konk. S. 00 —- 08.
ruo) So hat denn auch der zum Konvertiten gewordene Enkel Eitzens, J. A. Eypraeus den
„Eid“ als orthodor und katholisch gepriesen (Annales S. 400 j.). Wie man angesichts
dieses „Eides“ von einer „melanchthonischen Milde“ Eitzens hat reden können, ist unerfindlich.