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B. 2, K. 2, 9 22. Symbole
zeitig durch seinen reitenden Boten 30 Goldgulden als Reise- und Zehrgeld für
Eitzen, ein Zeichen, wie sehr ihm darum zu tun war, diesen nach Kassel hinzu—
bekommen.
Der Superintendent wäre natürlich nur zu gern gereist. Aber wider Erwarten
schlugen die Herzöge „ihrem“ Superintendenten den erbetenen Urlaub ab, „teils
weil dieser seines hohen Alters wegen — er war immerhin erst 57 Jahre alt —
eine größere Reise in ungünstiger Jahreszeit nicht wagen dürfe, teils weil er bei
dem bevorstehenden Landtage, wo das Lehnsverhältnis des Fürstentums Schleswig
zur dänischen Krone neu geordnet werden solle, als Stellvertreter des Bischofs
von Schleswig auf der Prälatenbank erscheinen müsse“““). — Eitzen mußte also,
wahrscheinlich zu seinem großen Bedauern, abschreiben und schickte die übermachten
30 Goldgulden zurück. Als Ersatz für sein mündliches Votum sandte er gleichzeitig
ein schon früher abgefaßtes ausführlichesschriftliches Bedenken
üsblser die Gründe, aus denen das Bergische Buch abzulehnen
sei ).
In diesem Gutachten führt Verfasser gegen die Annahme des Bergischen
Buches vier Hauptgründe an: 1. daß „Jacobus Andreae Schmiedlein vnter dieser
Confeßion seine Gottslesterische Schwermerie bedeckt, das alle Creaturn mit dem
Sone Gotts personlichen vereinigt sein, und daß in dem Sone Gotts Jesu Christo
keine andere gegenwertigkeit sei des Gottlichen wesens als in allen andern Crea—
turn.“ 2. daß derselbe darin „bedecke“ den „scheuslichen Irthumb“, daß Christus
per dispensationem, „wenn er will“, Fleisch und Knochen an sich nehme.
3. daß trotz der von den Holsteinern geschehenen Erinnerung (im Gutachten vom
September 15760) die Irrtümer Brenzens (daß die Engel vor der Welt geschaffen
seien, daß jeder Mensch wie Christus aus göttlicher und menschlicher Natur be—
stehe, daß weder Himmel noch Hölle bestimmte Orte seien usw.) in dem Buch
nicht „ausgesetzt“, also stillschweigend approbiert seien. 4. den in der Kirche bisher
unerhörten modus procedendi, daß sechs zum Teil mit Schwärmereien be—
haftete, zum Teil solche wissentlich duldende Theologen als dictatores fidei auf—
treten und ihr Buch ohne Bestätigung durch eine Synode, vor welcher sie sich
fürchten, allen Theologen aufdrängen und alle, welche die Unterschrift weigern, als
Ketzer verdächtigen. Verfasser weist durch weitläufige Zitate aus Leos J. Briefen
nach, daß dies Verfahren ganz demjenigen Dioscurs und seiner „Räubersynode“
gleiche.
Mit vollem Recht haben spätere Lutheraner dieses Bedenken sehr abfällig be—
urteilt?). Alle Achtung vor dem würdigen Kirchenmann darf uns nicht an dem
Urteil hindern, daß es ein sehr bedauerliches Machwerk ist. Auf allerlei aus dem
Zusammenhang gerissene Stellen aus Andreaes und Brenzens Schriften gründet
Eitzen mit einem die Konkordisten weit übertreffenden inquisitorischen Spürsinn
die Anklage auf die fürchterlichsten Ketzereien und schiebt dann den so verketzerten
die geradezu hergesuchte Absicht zu, diese ihre Ketzereien durch das neue Bekenntnis
„bedecken“ zu wollen. Der Vergleich Andreaes mit Dioscur und der von ihm
geleiteten Konvente mit der „Räubersynode“ ist nicht nur für ihn, sondern auch
b) Neben den angegebenen Gründen mag für die Herzöge auch der Wunsch masgebend ge—
wesen sein, eine auch nur indirekte Beteiligung an einer direkt gegen das sächsisch-brandenburgische
Konkordienwerk gerichtete Koalition zu vermeiden. *
20) Eine Wiedergabe dieses Bedenkens nach der in Marburg vorhandenen Originalhand-
schrift Eitzens ist Kontt. S. 240 — 51 zu finden.
21) Vgl. Moller III, 230. 235; Dän. Bibl. VIII, S. 387-93.