B. 1, 9 1. Einleitung
Fürsten als ihr landesherrliches Recht in Anspruch. Aber die Prälaten und Ritter
wußten sich auch in diesem Stücke als Privilegierte: über „ihre“ Kirchen hatte
niemand anders zu sagen als sie selber. So kam es, daß die Reformierung des
Kirchenwesens, die schon 1537 durch seine Kirchenordnung vom Landesfürsten be—
fohlen worden war, zunächst nur in den „Amtskirchen“ als Vorschrift anerkannt
und durchgeführt, von den Privilegierten aber erst dann als auch sie bindendes
„Landesgesetz“ anerkannt wurde, als sie auf dem Landtage von 1542 ausdrücklich
ihre Zustimmung dazu gegeben
4. Staat und Kirche zur Reformationszeit. Gab es schon vorher
eine „Landeskirche“?
Während man früher geneigt war, die Schaffung von Landeskirchen und die
Aufrichtung des landesherrlichen Kirchenregiments einseitig auf das Konto der
Reformation zu setzen, hat die neuere kirchengeschichtliche Forschung die These auf—
gebracht, daß das Landeskirchentum in weitem Maße schon im Mittelalter be—
standen habe, so daß auch in diesem Punkte die Reformation nicht eine völlige
Umwälzung, sondern die organische Weiterbildung eines schon bestehenden Zu—
standes darstellen würde. Diesen Standpunkt hat bezüglich unseres Landes mit
besonderer Lebhaftigkeit H.v. Schubert he Er hat ihn S. 326
der KGezu dem Satze gesteigert: „Also, trotz aller Rückstaͤnde in dänischer Sprache
und Art, eine im wesentlichen deutsche Volkskirche will die vereinigte seh.
Landeskirche werden“ (im 15. Jahrhundert!). Wie ist über diefe Frage
bes nders bezüglich unseres Landes zu urteilen?
—* führt uns auf das Verhältnis von Staat und Kirche, wie es vor der
Reformation bestand, insonderheit auf die Frage: in welchem Maße hat sich der
in der weltlichen Orts- und Landesobrigkeit repräsentierte mittelalterliche Staat
an der nach kanonischem Rechte allein der katholischen Hierarchie zustehenden all—
of einen Leitung der Kirche (dem Kirchenregiment) —E
bi diese Frage ist sofort zu antworten, daß allen Aspirationen, Deklamationen,
kanonischen Gesetzen und Bannflüchen der Kirche zum Trotz ein völlig abso—
lhutes, unbeschränktes Kirchenregiment der Hierarchie in der Wirklichkeit nie—
mals bestanden hat. Die Kirche stand ja nicht in luftleerem Raum, sondern im
hin- und herwogenden Getriebe der weltlichen Mächte und erfuhr deren fördernden
wie hemmenden Einfluß. Trotz allem Reichtum, trotz allem weltlichen Besitz, den
die mittelalterliche Kirche sich erworben hatte, war sie den weltlichen Gewalten
schließlich doch an Macht unterlegen. Denn so gewaltig der geistige Einfluß der
Kirche auf die katholische Menschheit war, so stark die Drohung mit Erkommuni—
kation und Interdikt wirken konnte — diese Drohung verfing doch nur, soweit
die davon Betroffenen wirklich fromm waren. Wo es daran mangelte, und es
J in seinem auf der landeskirchlichen theologischen Konferenz vom J. August 1894
Jehaltenen Vortrage über die „Entstehung der s.b. Landeskirche““, der den Hauptanstoß zur
Gründung des Vereins für SHeKirchengesch. gegeben hat (Vgl. 1. Heft unserer Bum S. 55)
und dann in der Z. Bd. 24, S. 93 2 13536 veröffentlicht worden ist; sodann in seiner Kirchen—
gesch. besonders S. 217 ff. Seine These scheint viel Aufsehen erweckt zu haben, denn sie hat
zu drei höchst wertvollen Vorträgen auf den Tagungen unseres Vereins geführt, die sämtlich
in Bd. 5 unserer BuM veröffentlicht worden sind (von F. Rendtorff S. 72 ff. Carl Roden—
berg S. 129 ff. Erich Kaufmann S. 360 ff.).