Full text: 1517 - 1721 (2)

B. 1, 9 1. Einleitung 
Fürsten als ihr landesherrliches Recht in Anspruch. Aber die Prälaten und Ritter 
wußten sich auch in diesem Stücke als Privilegierte: über „ihre“ Kirchen hatte 
niemand anders zu sagen als sie selber. So kam es, daß die Reformierung des 
Kirchenwesens, die schon 1537 durch seine Kirchenordnung vom Landesfürsten be— 
fohlen worden war, zunächst nur in den „Amtskirchen“ als Vorschrift anerkannt 
und durchgeführt, von den Privilegierten aber erst dann als auch sie bindendes 
„Landesgesetz“ anerkannt wurde, als sie auf dem Landtage von 1542 ausdrücklich 
ihre Zustimmung dazu gegeben 
4. Staat und Kirche zur Reformationszeit. Gab es schon vorher 
eine „Landeskirche“? 
Während man früher geneigt war, die Schaffung von Landeskirchen und die 
Aufrichtung des landesherrlichen Kirchenregiments einseitig auf das Konto der 
Reformation zu setzen, hat die neuere kirchengeschichtliche Forschung die These auf— 
gebracht, daß das Landeskirchentum in weitem Maße schon im Mittelalter be— 
standen habe, so daß auch in diesem Punkte die Reformation nicht eine völlige 
Umwälzung, sondern die organische Weiterbildung eines schon bestehenden Zu— 
standes darstellen würde. Diesen Standpunkt hat bezüglich unseres Landes mit 
besonderer Lebhaftigkeit H.v. Schubert he Er hat ihn S. 326 
der KGezu dem Satze gesteigert: „Also, trotz aller Rückstaͤnde in dänischer Sprache 
und Art, eine im wesentlichen deutsche Volkskirche will die vereinigte seh. 
Landeskirche werden“ (im 15. Jahrhundert!). Wie ist über diefe Frage 
bes nders bezüglich unseres Landes zu urteilen? 
—* führt uns auf das Verhältnis von Staat und Kirche, wie es vor der 
Reformation bestand, insonderheit auf die Frage: in welchem Maße hat sich der 
in der weltlichen Orts- und Landesobrigkeit repräsentierte mittelalterliche Staat 
an der nach kanonischem Rechte allein der katholischen Hierarchie zustehenden all— 
of einen Leitung der Kirche (dem Kirchenregiment) —E 
bi diese Frage ist sofort zu antworten, daß allen Aspirationen, Deklamationen, 
kanonischen Gesetzen und Bannflüchen der Kirche zum Trotz ein völlig abso— 
lhutes, unbeschränktes Kirchenregiment der Hierarchie in der Wirklichkeit nie— 
mals bestanden hat. Die Kirche stand ja nicht in luftleerem Raum, sondern im 
hin- und herwogenden Getriebe der weltlichen Mächte und erfuhr deren fördernden 
wie hemmenden Einfluß. Trotz allem Reichtum, trotz allem weltlichen Besitz, den 
die mittelalterliche Kirche sich erworben hatte, war sie den weltlichen Gewalten 
schließlich doch an Macht unterlegen. Denn so gewaltig der geistige Einfluß der 
Kirche auf die katholische Menschheit war, so stark die Drohung mit Erkommuni— 
kation und Interdikt wirken konnte — diese Drohung verfing doch nur, soweit 
die davon Betroffenen wirklich fromm waren. Wo es daran mangelte, und es 
J in seinem auf der landeskirchlichen theologischen Konferenz vom J. August 1894 
Jehaltenen Vortrage über die „Entstehung der s.b. Landeskirche““, der den Hauptanstoß zur 
Gründung des Vereins für SHeKirchengesch. gegeben hat (Vgl. 1. Heft unserer Bum S. 55) 
und dann in der Z. Bd. 24, S. 93 2 13536 veröffentlicht worden ist; sodann in seiner Kirchen— 
gesch. besonders S. 217 ff. Seine These scheint viel Aufsehen erweckt zu haben, denn sie hat 
zu drei höchst wertvollen Vorträgen auf den Tagungen unseres Vereins geführt, die sämtlich 
in Bd. 5 unserer BuM veröffentlicht worden sind (von F. Rendtorff S. 72 ff. Carl Roden— 
berg S. 129 ff. Erich Kaufmann S. 360 ff.).
	        
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