Landeskirchl. Bekenntnis im Königl. Anteil
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standen worden ist. Nur die besondere Theologie der Konkordienformel (die sog.
„Ubiquitätslehre“') wollte man ablehnen, und auch das ist nur vorübergehend
gewesen. In den Lehrpunkten, in welchen sich das Luthertum vom Kalvinismus
schied, vor allem in der Lehre vom Abendmahl, hat man sich hier stets schroff und
anerbittlich auf Luthers Seite gestellt und alle auftauchenden kryptokalvinischen
Regungen entschieden abgewiesen. Ein Paktieren mit dem Kalvinismus wie in
Hessen ist bei uns völlig ausgeschlossen gewesen, Unionsgedanken sind hier nie
aufgekonmen. Der Kryptokalvinismus Herzog Johann Adolfs ist eine ganz sin—
zuläre und vorübergehende Erscheinung geblieben.
§23. Orthodoxie, „wahres Christentum“ und Schwärmertum.
Mit dem Ende des 16. Jahrhunderts ist in den evangelischen Landeskirchen
Deutschlands die Bekenntnisbildung wesentlich abgeschlossen. Zwar folgten im
Anfang des 17. noch einige Versuche, das lutherische Landesbekenntnis in ein
reformiertes umzubiegen. Aber nur in einzelnen Landeskirchen waren sie erfolg
reich, so in Anhalt, Hessen und Lippe. In Kurbrandenburg glückten sie nur zum
Teil, in Mecklenburg und — Holstein Gottorp blieb es bei einem vergeblichen
Versuch von fürstlicer Seite. Vom Kryptokalvinismus am Gottorfer Hofe ist
bereits im ersten Kapitel dieses Buches (S. 150 ff.) ausführlich die Rede gewesen,
Zuch berichtet worden, wie durch Herzog Johann Adolfs frühen Tod und J. Fa
bricius' Treue das Gottorpsche Land dem Luthertum erhalten geblieben ist.
Wir wollen nun betrachten, wie das als lutherisch festgelegte Kirchentum unseres
Landes sich innerlich, nach seiner religiös theologischen Seite weiterhin gestaltet
hat, und zwar zunächst in der er sten Hälftedes 17. Jahrhunderts.
Da ist denn im allgemeinen zu sagen, daß in dieser Veziehung unser Land
nichts besonderes oder einzigartiges darstellt: jetzt und weiterhin folgt es der
Entwickelung des Gesamtluthertums und den Einflüssen, die von Großdeutschland
zusgehen; auch das mit unserm Lande so eng verbundene Dänemark zeigt inbezug
auf die geistige Gestaltung seines Kirchenwesens noch keine Besonderheiten, son
dern folgt noch ganz den vom deutschen Luthertum ausgehenden Einflüssen. Die
Hauptfaktoren der religiös-theologischen Entwickelung des deutschen Luthertums
während der bezeichneten Periode aber werden durch die drei im Titeb genannten
Begriffe bezeichnet.
1. Die lutherische Orthodorie.
Mit der Auswahl und Kanonisierung gewisser Bekenntnisschriften war für die
lutherischen Landeskirchen die Lehre, das heißt die in den Kirchen zu treibende Ver—
kündigung firiert und normalistiert worden. Ein freies und selbständiges Forschen
des einzelnen Geistlichen oder gar eines Laien, was Gottes Wort gemäßssei, war
hinfort ausgeschlossen. Auch die in der neuen Kirchengestalt zur Lehrbildung be—
sonders berufenen Faktoren, die theologischen Fakultäten, waren strikte an das
landeskirchliche Bekenntnis gebunden und hatten lediglich die Aufgabe, die ein für
alle mal feststehende Lehre nach allen Richtungen schulmäßig zu bearbeiten und
sie gegen andere Lehrformen zu verteidigen und abzugrenzen. Dogmatik, Apologetik
und Polemik war ihere Aufgabe; darüber zu wachen, daß kein Geistlicher von
der festgesetzten Norm abweiche, war die Aufgabe der landesherrlichen Kirchen-