Full text: 1517 - 1721 (2)

Staat und Kirche zur Resormationszeit 
auf die physische Macht, die „Brachialgewalt“ ankam, waren die weltlichen Mächte 
doch allemal die überlegenen. Und gerade je mehr die Kirche sich von ihrer rein 
priesterlichen Aufgabe entfernte, je mehr sie Kapitalmacht wurde, desto stärker 
wurde ihre Abhängigkeit von den weltlichen Mächten, denn schließlich konnten 
nur diese sie in ihrem Besitze schützen und bewahren. So gewahren wir denn tat— 
sächlich eine gegen die Reformationszeit immer steigende 
Anteilnghme des weltlichen Regiments am Kirchenre— 
giment. 
Wir sehen hier ab von den rohen Gewaltakten gegen die Kirche, die auch in 
unserm Lande nicht gefehlt haben“), und beschränken uns auf den in geordneten 
Bahnen einhergehenden Einfluß auf die Kirchenleitung, welche die weltliche 
Macht schon vor der Reformation in unserm Lande gewonnen hatte. 
Da treffen wir zunächst auf das in die Urzeiten der Christianisierung unseres 
Landes zurückführende Kirchenpatronat, welches nicht nur den vielen 
Einzelbesitzern von Kirchen (Städten, freien Landgemeinden, adeligen Herren), 
sondern auch dem Landesherrn, in dessen Hand sich mit der Zeit viele Einzel— 
patronate sammelten, einen starken Einfluß auf die Besetzung der Pfarrstellen 
—** 
spee auͤs dem uralten Institut der Schir mvogte i ljus advocatiae) er— 
gab sich ganz von selbst ein starker Einfluß des Landesherrn auf die Kirchen— 
leitung, denn für die Pflichten, die er als Schützer der Kirche übernahm, ver— 
langte er selbstverständlich auch gewisse Rechte. Aber gerade in diesem Punkte 
ergibt sich, daß in dem sich bildenden Einheitsstaat der Herzogtümer das Vogtei— 
recht der Landesherrn nur in verhältnismäßig geringfügigem Masie zur An— 
vendung kommen konnte. Es gab ja nur ein innerhalb des Territoriums ge— 
legenes Bistum, das Schleswiger, und über dies hat der König von Dänemark 
als Oberlehnsherr des Herzogtums allezeit ein besonderes Patronatsrecht in 
Anspruch genommen. Alle übrigen Bistümer, die in den Fürstentümern das 
Kirchenregiment ausübten, lagen außerhalb des Territoriums: Ripen und Odense 
lagen unter der Krone Dänemark, Lübeck und Hamburg-Bremen standen unter 
aiserlichem Schutz. Daß trotzdem die Landesfürsten auf die Besetzung Schles— 
wigs, aber auch Lübecks und der Hamburger Dompropstei nach Möglichkeit Ein— 
fluß zu nehmen suchten, versteht sich von selbst. Die Schauenburger haben das 
besonders in der Form getan, daß sie Glieder ihres Geschlechtes an einflußreiche 
Stellen des Lübecker und Hamburger Domkavitels gebracht haben (Schub. 
220 
Auch im übrigen haben die Fürsten unseres Landes wie so viele ihrer Zeit auf die 
organisierte Kirche ihres Landes kräftig eingewirkt und vor allem die Suprematie 
der Landeshoheit über die geistliche Herrschaft stets zu wahren gesucht. Dahin ge— 
hört die Inanspruchnahme der Schutzherrschaft über die Klöster, die von Chri— 
stian J. und Friedrich betriebene Klosterreform (Schub. S. 231 f.), die Ein— 
5) Ich erinnere z. B. an die gewaltsame Besetzung des Schleswiger Bischofsstuhls durch 
den Schauenburgischen Landesherrn 1422 (Schub. S. 236), au die rohe Behandlung des 
Bischofs Johannes durch die landesherrlichen Ritter 1400 (Schub. S. 229, Cypr. S. 348 ff.), 
an die gewaltsame Beschlagnahme von gesammelten Ablaßgeldern durch Christian J. und II. 
Lau S. 73 ff.). Ein besonders gewalttätiger Fürst war Maanus J. von Sachsen⸗Lauenburg 
15071543. 
20) Auf das Patronat, das ja von der Reformation erhalten blieb, kommen wir weiterhin 
noch zurück.
	        
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