Full text: 1517 - 1721 (2)

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B. 2, K. 2, 9 23. Schwärmertum 
seiner Ablehnung. Es mag sein, daß die Aufregung und der Schmerz über diese 
Vorgänge das Ende Sinknechts beschleunigt hat, jedenfalls ist er, von seiner 
„Unschuld“ fest überzeugt, schon Ende 1035 verstorben. 
Ein begründetes Urteil über seine Lehrirrungen würden wir nur gewinnen 
können, wenn uns Proben aus seinen Predigten erhalten geblieben wären. Das 
ist jedoch nicht der Fall; das Quellenmaterial ist überhaupt sehr dürftig. Dogmen— 
geschichtlich interessiert uns auch viel weniger, was dieser anscheinend nicht sonder— 
lich bedeutende Mann im einzelnen gesagt hat, als was die damalige 
hbutherische Theologie und insonderheit ein Hunniusan 
seiner Lehrweise zu tadeln gehabt hat. In dieser Beziehung 
ind folgende Punkte besonders bemerkenswert: 
1. daß er in seinen Predigten die Wertlosigkeit der akademischen und kirchlichen 
Titulaturen gekennzeichnet hat. Das war sicher neutestamentlich (Matth. 23, 
8—2 12). Aber es rührte an die Grundlagen der damaligen Kirche, in der keines— 
vegs das „Recht der Gemeinde auf freie Schriftforschung“ (Prahl S. 155) an⸗ 
erkannt war, vielmehr „die Feststellung des Glaubensinhaltes der heiligen Schrift“ 
als Vorrecht der „Gelehrten“ betrachtet wurde. Dies Vorrecht aber wurde damit 
hegründet, daß allein die „Gelehrten“ die Sprachen des heiligen Geistes, die 
Ursprachen der Schrift verstinden. Deshalb wurde es gleichfalls als anstößig 
befunden, daß Sinknecht das Lernen der alten Sprachen für die Prediger als 
nicht erforderlich bezeichnet hatte. In beiden Stücken hat er durchaus mit denen 
susammengestimmt, die damals als „weigelianische“ Schwarmgeister beurteilt wur— 
den: das Recht auf freie Schriftforschung auch der Laien hat erst der Pietismus 
in die lutherische Kirche hineingebracht. 
2. Daß er seine Zuhörer oft an die „Gelassenheit“ gemahnt hatte. 
Dieser Ausdruck kann und konnte zwar in rechtem, unanstößigem Sinne gebraucht 
werden. Seine starke Prononzierung jedoch stammte aus der mittelalterlichen 
Mystik und war gerade den Schwarmgeistern sonderlich geläufig. In dem Be— 
denken gegen diesen Ausdruck, das die Orthodoxren hegten, liegt etwas durchaus 
Gesundes. 
3. Das er „pro concione gesagt habe: Die menschlichen leiber, die in der 
Erden verscharret werden, kehmen nicht wieder herfür““, und damit viel einfältige 
deute vor den Kopf gestoßen habe. Mögen wir Heutigen uns lieber an die pau— 
linische Lehre 1. Kor. 15 von einem geistlichen Auferstehungsleibe als an die sym⸗ 
bolische Lehre von einer Auferstehung des Fleisches halten — es leidet keinen 
Zweifel, daß die grobsinnliche Auffassung des Auferstehungsvorganges zu jener 
Zeit nicht nur volkstümlich war, sondern auch als orthodox galt, insonderheit in 
Dänemark und dem königlichen Anteil der Herzogtümer, da sie im 25. Stück der 
„Fremdenartikel“ ausdrücklich vorgeschrieben wird. 
4. Daß man auch an Sinknechts Reden vom „täglichen und innerlichen Sabbat“ 
Anstoß nahm, entspricht ganz der gesetzlichen Art, welche die lutherische Kirche im 
Gegensatz zu Luthers freier Stellung zum Zeremonialgesetz angenommen hatte *). 
Im Ganzen wird man sagen müssen, daß Sinknecht, ohne sich selbst darüber 
recht klar gewesen zu sein, Ideen ausgesprochen hat, welche zwar später durch den 
Pietismus Heimatrecht in der lutherischen Kirche bekommen haben, zu seiner Zeit 
aber von der reinen und unverfälschten Orthodoxie als schwarmgeistig beurteilt 
wurden. 
21) Die gesetzliche Art, in welcher die Orthodoxie das Sabbatsgebot auffaßte, werden wir 
noch weiterhin aus einem interessanten Lehrstreit zu beleuchten haben.
	        
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