A. Bourignon in ShH
335
treiben ließe und irgend ein Glied der Landeskirche zu sich herüberzöge — glaubte
die B. im Bewußtsein ihrer göttlichen Sendung nicht annehmen zu können.
Während die Verhandlungen noch schwebten — sie hatte gerade Besuch von dem
berühmten Amsterdamer Chirurgen Swammerdam — wurde der Herzog durch
die Gewalttätigkeit des Königs gezwungen, nach Hamburg zu fliehen (März
1676), und die Profetin, welche nach den Flensburger Erfahrungen zu der König—
lichen Regierung nur ein geringes Zutrauen hatte, hielt es für geraten, ihm nach—
zuziehen: am 31. März kam sie in Hamburg an und konnte sich dort 15 Monate
lang unter mancherlei Entbehrungen verborgen halten.
Von diesem Versteck aus ließ sie nun das schon in Schleswig verfaßte Buch
gegen Burchardi in Amsterdam drucken. Es erschien in deutscher, lateinischer,
flämischer und französischer Sprache unter dem Titel „der Probierstein“
(La pierre de Touche, pour connoistre l'or de la vraye
Charité hors du Metail du Cuivre doré de la Charité apparente)] “).
Die Idee des Werkes ist, daß der Prüfstein wahren Christentums die rechte Liebe
zu Gott und zu den Nächsten und diese Liebe bei ihren Verfolgern nicht zu finden
sei. Mit den heftigsten Anklagen gegen Burchardi und die andern „Priester“ ver—
bindet sie eine Verteidigung ihrer Lehren. Wie ihr Gegner hat sie ihr Werk dem
Herzog Christian Albrecht gewidmet. In dem Briefe, mit welchem sie
ein Exemplar an den Herzog übersandte “), tritt noch einmal ihre Selbstüber—
schätzung im glänzendsten Lichte hervor: hier bezeichnet sie das Unglück, das ihn
betroffen, als Folge ihrer ungenügenden Aufnahme im Gottorfschen Lande und
verheißt für dieses noch weiteres Mißgeschick, wenn man ihr nicht endlich noch
folgen würde. Der „Probierstein“ reizte den darin Angegriffenen zu einer Er—
widerung. Ende des Jahres 1677 erschien zu Schleswig, gedruckt durch Johann
Holwein“), die „Nothwendige Wiederholete Erzehlung Des—
sen Welches mit der ... A. B. ... biß hieher vorgegangen / Nebenst klär—
licher Erweisung daß dieselbe ... ärgerlich und Gotteslästerlich lehre ...
deroselben so genanntem Probierstein ... entgegengesetztet Durch M. Georg
Henr. Burchardum (2442 Seiten in Kleinoktav).
In einer sehr langen und gelehrten Zuschrifftt an den Kanzler Her mann
Höpffner von Kronstett und die Gottorfschen Kammerräte Andreas
Cramenr auf Hoyerswort und Peter Pauli führt der Verfasser aus, daß
die Behütung der Untertanen vor falscher Lehre die vornehmste Pflicht der Re—
genten sei und zeigt wie nach dem rühmlichen Vorbilde der alten römischen Kaiser
das Oldenburgische Haus, insonderheit Christian III. diese Pflicht erfüllt habe.
In einer Vorrede (S. 1219) wird der „Probierstein“ den Lesern vor—
gestellt und sodann eine historisch wertvolle Er zehlung“ dessen, was mit der
A. B. und ihren Schriften in SH vorgegangen, gegeben (S. 20— 560). Statt
noch einmal alle ihre Irrtümer durchzunehmen, will Vf. sich auf den Kern—
punkt der evangelischen Lehre beschränken. Er gibt deshalb zuerst eine in ihrer
Weise ausgezeichnete positive Darstellung der biblischen (lutherischen) Lehre von
der „Rechtfertigung des Menschen und seiner Versöhnung mit Gott“ (S. 57 bis
172). Es folgt die Darstellung und Widerlegung der Bourignonschen Lehre über
diesen Gegenstand (S. 173 — 394). Bemerkenswert ist S. 331 ff. der Nach—
weis, daß der Bourignon äusierliche Zustimmung zum apostolischen Symbol eine
*) Mir hat nur die frantz. Ausgabe von 1079 vorgelegen.
*) Vom 21.422. Januar 1077, vgl. Tem. de la Verité II, S. 285 ff.
14) Doch nicht wieder in so prächtiger Ausstattung.