Friedrich Breckling
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währendem Verhör die Consistoriales mit großen Injurien und allerhand
Schmähworten vielfältig oneriert“ hat. Wäre er seinen Richtern nur irgendwie
entgegengekommen, würde das Urteil doch vielleicht milder ausgefallen sein.
Deshalb sollte man nicht, wie vielfältig geschehen ist, den Schriften Brecklings
folgend, das Urteil des geistlichen Gerichts unbesehen als ein ungerechtes ver—⸗
urteilen. Auf der einen Seite steht ein Mann, der die bestehende Kirche in Grund
und Boden verdammt, auf der anderen Seite würdige Leute, welche diese Kirche
repräsentieren und nicht der Meinung sind, daß sie ein völliges „Babel“ sei.
War es nicht ihre Pflicht, das von ihnen vertretene Institut in Schutz zu nehmen?
Letzten Endes haben wir in diesem Gerichtsverfahren den so oft in der Geschichte
zu beobachtenden Konflikt zwischen Ordnung und Aufruhr, zwischen der organi—
sierten Gemeinschaft und den Ansprüchen eines jeder Ordnung widerstrebenden
iberspannten Individualismus ).
Dem Urteil folgte sogleich die Uebergabe des Verurteilten an die weltliche Obrig—
keit — offenbar mit Rücksicht auf den politischen Charakter seines Vergehens. Es
ist nun höchst auffallend, daß der Amtmann ihn nicht in die sichere „Pforte“
seines Schlosses einsperren liesi, sondern gestattete, das der königliche Hausvogt “)
jhn „in sein Haus aufnahm“. Ob gegen ehrenwörtliches Versprechen, nicht ent—
weichen zu wollen? Ob von vornherein in dem Wunsche, den unbequemen Mann
aus dem Königlichen Bereich los zu werden? Die Sache bleibt unklar ).
Jedenfalls benutzte Breckling die bequeme Gelegenheit zur Flucht, angeblich,
weil ihm Gerüchte über höchste Ungnade des Königs hinterbreitet wurden. Er
ging zunächst nach Hamburg, und, da er sich auch dort nicht sicher genug fühlte,
über Bremen, Zwolle und Kampen nach Amsterdam, der festen Burg aller in
Religionssachen Verfolgten.
Klotz hatte in seinem am 16. März abgefaßten Bericht an den König gebeten,
der dänische Gesandte im Haag möchte alle Exemplare des Speculum kon—
fiszieren (Moltesen S. 49). Nun, nach Brecklings Entweichen blieb ihm nichts
weiter übrig, als alle ihm untergebenen Geistlichen vor Breckling zu warnen und
zu einem Kanzelgebet wider diesen Irrgeist aufzufordern. Breckling aber parierte
den Schlag, den er bekommen hatte, mit einem womöglich noch härteren, indem
er alsbald nach seiner Ankunft in Amsterdam eine Schrift herausgab, die sein
Verfahren rechtfertigen sollte: Veritatis triumphus contra Pseudoluthe-
ranos et eorum Antesignanum D. Stephanum Klotzium (1660). Die
urkundlichen Belege, welche er hier bringt, werden richtig sein. Auch kann man
ihm nicht verdenken, wenn er die Ziele seines Kampfes gegen die Entartung der
Kirche und seinen Lapis lIydius in das beste Licht stellt. Schwer zu verantworten
jedoch ist die Art, wie er, namentlich zum Schluß hin, seine Gegner und Richter
und vor allen Klotz angreift. Diesem lästt er kein gutes Haar und malt sowohl
sein amtliches Wirken wie sein Privatleben mit den schwärzesten Farben. Man
14) Wenn Breckling in fast blasphemischer Weise sich selbst mit Christo und das Konsistorium
mit dem Hohenrat auf eine Stufe gestellt hat, so vergißt er, das Christus das menschlich ver—
ständliche Urteil seiner Richter schweigend über sich genommen und die Korrektur desselben
seinem himmlischen Vater überlassen hat. Er hat „nicht wieder gescholten, da er gescholten
vard“. Br. hat nicht sein Kreuz auf sich genommen, sondern ist geflohen und hat von einem
lichern Standort aus seine Richter viel schlimmer gescholten als sie ihn.
25) Nicht der „Vyfogd“, der Stadtvogt, wie Moltesen S. 49 schreibt.
10) Moltesen sagte zwar gegen Pont. IV, 4602 f.: Det kann ikke passe. Aber wenn nicht Klotz,
so konnte doch der Amtmann gewisse Gründe haben, eine Flucht des Arrestanten zu begünstigen.