Friedrich Breckling
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In Amsterdam fand der Flüchtige freundliche Hilfe und Unterstützung
bei Amos Comenius, Louis de Geer und dem Pastor von Mönnickendam, Hermann
Jungius, einem „Holsteiner““. Als der lutherische Pastor in Zwolle, Johann
Jakob Fabricius, ein ebenso frommer wie gelehrter Mann, als Superintendent
nach Sulzbach berufen worden war, wählte die Gemeinde trotz der Gegenbestre—
bungen des lutherischen Konsistoriums in Amsterdam Breckling zu ihrem Seelsorger
(Dez. 1060). Ein Jahr lang konnte er hier in Ruhe seinem Ideale eines evan—
gelischen Predigers nachleben: er trieb strengste Kirchenzucht und katechisierte eifrig
mit Kindern und jungen Leuten; seine Predigten fanden viel Beifall, mochte
auch „sein brennender Eifer den ruhigen Holländern etwas auffallend sein““ (Mol—⸗
tesen S. 67). Aber der unruhige Kämpfergeist Brecklings konnte am einfachen
Gemeindedienst auf die Dauer kein Genüge finden. Wie einst in seiner nord—
schleswigschen Heimat meinte er auch in Holland als warnender Prophet und
Helfer der Unterdrückten berufen zu sein. Diesmal war das Amsterdamer
Konsistorium, die oberste Behörde für alle lutherischen Gemeinden in Hol—
land der „Feind“, gegen den Breckling kämpfen zu müssen glaubte. Die Hinder—
nisse, welche das Konsistorium der Bildung einer dänischen Freigemeinde in Amster—
dam entgegensetzte?), gaben ihm Anlaß „zum besten und zum Schutze seiner
dänischen Nation und aus Liebe zu seinem Vaterlande“ einzuschreiten. In einer
Schrift Libertas et potestas Ecclesiae (16004) ging er auf das Amsterdamer
Konsistorium ganz ähnlich wie einst auf das Flensburger los, bezichtete dessen Mit—
glieder religiös wie moralisch aller möglichen Uebeltaten, stempelte sie als Tyrannen
und Antichristen und erklärte in völlig independentistischer Weise jede menschliche
Kirchenordnung für Unfug. Die Folge war auch hier ein unheilbarer Konflikt
mit der ihm vorgesetzten kirchlichen Behörde.
Ehe wir jedoch zur Auswirkung dieses Konfliktes kommen, müssen wir noch
einer eigentümlichen Anstalt gedenken, welche Breckling in Zwolle gründete. Das
war ein „Kloster“, wie er es nannte, eine Art Sanatorium für geistig erkrankte,
besonders aber für religiös angefochtene Seelen. Die Berühmtesten unter denen,
die hier bei ihm Hilfe suchten, waren Johann Georg Gichtel der
später sein bitterster Feind wurde, und der ungarische Freiherr Justinian
on Weltz, der Stifter der „Jesusliebenden Gesellschaft“ und erste evangel.
Missionar; dieser wurde von Breckling als solcher ordiniert (1664). Das folgen—
schwerste für Br. persönliches Leben wurde jedoch die Aufnahme eines geistig nicht
normalen deutschen Mädchens in diese sonst nur aus jüngeren Männern bestehende
Hausgemeinschaft. Aus ihr entstanden in der Gemeinde allerlei Gerüchte über
unreine Geschichten, denen Br. kühn die Spitze bot, indem er das Mädchen —
heiratete. Dieser Schritt führte vollends zum Bruch mit der Mehrzahl der
Gemeindeglieder: die weltliche Obrigkeit griff ein, die Kirche wurde für Br. ge—
sperrt und er aus seinem Amte entlassen (1608)). Damit hatte das Amster—
damer Konsistorium endlich erreicht, was es wünschte.
ausgepowerten Landsleuten. In diesem Sinne hat er noch 160602 eine „Unterihänige Suppli—
cation an Ihro K. M. in Dennemarck, vor dero Arme Unterthanen“ gerichtet.
21) Vgl. das Nähere bei Moltesen S. 60 ff.
22) Daß Br. in dieser Affäre moralisch völlig intakt geblieben ist, behauptet Moltesen
S. 85 ff. gewiß mit Recht. Die Ehe mit einer leiblich schwaͤchen und geistig anormalen Frau
hat für ihn einerseits ein Kreuz gebildet, das er mit echter christlicher Geduld getragen hat.
Auf der anderen Seite ist ihm seine Frau gerade durch ihre geistige Abnormität unendlich viel
wert gewesen. Sie war nämlich eine Ekstatikerin: zu Zeiten sah sie himmlische Geister und