Schwartz gegen Pietismus, 1091 ff.
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fraget und da sie derselben verdächtig / für den Synodum eitiret werden““. Erst
angehende Theologen sollten sich, wo nicht beim GS, so doch bei dem Propsten
angeben, der sie vermahnen soll „verdächtige Academien zu vermeiden, oder so
noch ein und ander rechtgesinnter Lehrer auf solcher Academie sich befinden möchte,
ein Testimonium Orthodoxiae von demselben mitzubringen, wo sie anders
einmahl unter J. K. M. Beforderung zum Predig-Ampt
suchen wollen““). Dieser Beschluß fand unter dem 30. Januar 92 die
Königliche Bestätigung.
Damit hatte Schwartz die amthiche Aufgabe erhalten, wider den Pie
tismus Front zu machen, und er tat dies insonderheit gelegentlich seiner Visitationen
in so kräftiger Weise, daß er „sogar bei dem anwesenden Christlichen Frauen
Zimmer großen Scandal verursachte“).
Eine besondere Ermunterung zu seinem Vorgehen empfing Schwartz dadurch,
daß ihm von Kopenhagen ein scharfes Edikt wider die Pietisterei, das König
Karl XI. von Schweden für seine deutschen Provinzen erlassen hatte (6. Okt.
16094), zugesandt und ihm empfohlen wurde, mit dem großen Pietistenfeinde
D. Johann Friedrich Mayer in Hamburg in dieser Sache zu „con—
certiren““, was denn auch geschahe').
Schwartzens Bemühnngen um die Bekehrung der pietistischen Jugend hatte
nicht allemal Erfolg. So ging es mit Heunrich Lysius, dem Sohne des
Propsten Johannes Lysius in Flensburg. Dieser hatte nach längerem lustigen
Siudentenleben endlich zu Halle in Breithaupts Hause den rechten Weg gefunden.
Als er nach seines Vaters Tode (16094) in seine Vaterstadt zurückkehrte und eine
Anstellung suchte, ward ihm solche um seiner „chiliastischen Pietisterey““ willen von
Schwartz versagt. Die väterlichen Versuche des GS., den Sohn seines Propsten
zur Orthodorie zurückzuführen, wurden an dessen Starrsinn zu Schanden'). Auch
der theologischen Fakultät von Kopenhagen, zu der Lysius gesandt wurde, gelang
es nicht, dessen Sinn zu ändern ).
Desto mehr Glück hatte Schwartz mit Hinrich Braker, einem geistig
offenbar nicht unbedeutenden Studiosus aus Flensburg, welcher, nachdem er vom
Flensburger Ministerium vergeblich bearbeitet worden war, von Schwartz selber
in Behandlung genommen wurde. Auf der Synode von 1097 gab er befriedigende
Erklärungen, es ward ihm gratuliert und baldige Beförderung zum Heil. Predigt—
amte verheissen. Die Mühe, welche Schw. sich mit diesem erst ziemlich verstockten
„Chiliasten“ machte, hat etwas Rührendes. Er selber war von seinem schönen
J Vgl. a. a. O. S. 428.
») Muhlius, Erörterung usw. Vorrede é 4.
) Vgl. Chiliastische Vorspiele S. 429 390.
) Arrogantia et ambitio est horum hominum chder Pietisten) anima, schrieb in
diesem Anlasi 1). Maper.
6) Val. a. a. O. S. 435. An der Hoffnung im Vaterlande einen geistlichen Dienst zu
finden verzweifelnd, verheiratete sich Lysius und gründete in Flensburg ein kaufmännisches
Geschäft. Mach fünfjähriger Mußie jedoch wandte er sich wieder den Studien zu, machte in
Halle 1702 den theologischen Doktor und erlangte in Königsberg als Professor, Schloßi⸗
prediger, Aufseher der littauischen Gemeinden usw. eine grosie Stellung. Ihm gedieh also seine
pietistische Haltung zum Vorteil. Ebenso seinem Bruder Jobhannes Lysius, der von
vornherein Schwartzens Herrschaftsbereich vermied und unter Speners Patronat 1008 nach
Hohenfinow, 1700 nach Berlin (St. Georgen) als Pfarrer kam (41jährig — 1716). Vgl.
Moller J, 374 ff. So wurden durch Schwartzens Einseitigkeit manche tüchtige Leute dem
heimatlichen Pfarrdienste entzogen. Er selber sagt freilich (a. a. O. S. 135): „Gott gebe,
unsere Schlesiwig⸗Hollsteinische Kirche wäre von allen Hällischen Jüngern ... befrepet!“