Full text: 1517 - 1721 (2)

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B. 2, K. 2, 8 27 
Erscheinung lieb haben mit lauter Stimme entgegen, singen und sagen: Es 
ist gewißlich an der Zeit, das Gottes Sohn wird kommen.“ 
Es ist keine Frage, daß Schwartz mit seiner Schrift die These der Orthodorie 
vertreten hat: das Luthertum hat jeden Chiliasmus nicht nur symbolmäßig ver— 
worfen (Conf. Aug. art, XVII) — es entspricht anch der tiefen Auffassung 
Luthers von dem absoluten Gegensatz zwischen der sündigen und elenden Welt 
und dem himmlischen Gnadenreich, daß er die Aufrichtung eines besonderen Reiches 
Christi auf dieser Erde vor der Endvollendung nicht in Betracht zieht, sondern 
die selige Zukunft allein von dem mit der baldigen Wiederkunft Christi eintretenden 
Ende der Welt erwartet. Auch der Chiliasmus gehört zu den Elementen, in 
welchen der Pietismus das Erbe des von den Reformatoren mit instinktiver Sicher— 
heit abgewiesenen Schwärmertums wieder aufgenommen hat. Insofern hat 
Schwartz mit seinem energischen Kampfe gegen den von Spener inaugurierten 
Chiliasmus ein Interesse des echten Luthertums vertreten. 
Es fragt sich nur, ob es richtig war, gerade den relativ harmlosen Sand- 
hagen anzugreifen. Im Gegensatze zu seinem Nachfolger im Lüneburger Su— 
verintendentenamt, D. Johann WilhelmPetersen, dem noch in Eutin 
16085 das Kommen eines wirklichen tausendjährigen Reichs offenbart worden 
war '“), äußerte sich Sandhagen ebenso wie Spener in der Regel ziemlich vor— 
sichtig und pflegte nur von kommenden „besseren Zeiten“ der Kirche zu reden. 
Es war also in der Tat ein Chiliasmus subtilis, den er vertrat. Wenn er 
jedoch die Rückkehr der Juden ins heilige Land und ihre völlige Bekehrung nach 
Röm. 11, 25 f. deutlich erhoffte, hatte sein schhärfer und klarer sehender orthodorer 
Kollege durchaus kein Unrecht, in seinen vorsichtigen Aenserungen die Vorposten 
eines in das Land eindringenden ketzerischen Chiliasmus crassus zu erblicken 
und die Amtsbrüder davor zu warnen. 
Bei der ungünstigen Beurteilung, welche Schwartzens Kampfesweise später 
vielfach gefunden hat, erfordert die historische Gerechtigkeit die Feststellung, daß 
diese seine erste antichiliastische Schrift rein sachlich gehalten und von jeder per— 
sönlichen Gehässigkeit frei ist. 
2. Kampf der Generalsuperintendenten, erster Gang, 1700- 1702. 
Die im Gegensatz gegen seine später immer umfangreicher werdenden Streit— 
schriften verhältnismäsig kleine Schrist Schwartzens gegen Sandhagen musite 
deshalb etwas ausführlicher behandelt werden, weil sie der Ausgangspunkt eines 
theologischen Kampfes geworden ist, welcher unser Land zwei Jahrzehnte lang in 
Atem hielt und nach außen hin als ein Skandal wirkte: des Streitesder 
beiden höchsten Geistlichen unsers Landes, der die Verschieden— 
heit der beiderseitigen Standpunkte aufs schärsste herauskehrte und zur Folge hatte, 
daß Schleswig-Holstein, theologisch angesehen, geradezu in zwei Hälften zerfiel, in 
den orthodox geleiteten Königlichen und den pietistisch geleiteten Gottorper Anteil. 
Der zuerst Angegriffene zwar hat an diesem Streite keinen Teil mehr gehabt: 
der innig gläubige, gemütvolle und zum Streiter keineswegs geschaffene Sand— 
hagen wurde, ehe er sich verantworten konnte, durch den Tod à rabie theo— 
logorum erlöst“). Aber hinter seinem Sarge taucht schon der Mann auf, der 
au) Vgl. Petersens Lebens-Beschreibung (1719), S. 70 jf. 
1) Wgl. oben S. 213.
	        
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